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Die elfte Jungfrau

Titel: Die elfte Jungfrau
Autoren: Andrea Schacht
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diese Geste verstanden. Beide bewegten sich mit den Flammen in die angegebene Richtung, dabei redete Almut unablässig weiter auf den Mann ein. Seine Augen folgten dem Licht, und er drehte sich um.
    Die am Boden stehende Lampe war fast erloschen, aber in ihrem letzten Licht schien sich ein Schatten zu erheben, und es gab einen dumpfen Schlag. Der Schreinemaker stöhnte auf und ließ Trine los, die sofort auf Almut zulief.
    »Bringt das Kind hier weg, Begine. Schnell. Findet Ihr zurück?«
    »Ja, Pater. Aber...«
    »Verschwindet!«
    Die Geräusche eines erbitterten Kampfes klangen zwischen den Säulen, und Almut nahm Trine an die Hand, um mit ihr den Rückweg anzutreten. Die Rußspuren der Fackeln wiesen ihnen die Richtung. Es dauerte nicht lange, und sie hatten die Grabkammer wieder erreicht. Erschöpft kletterten sie die Stufen hoch und traten in den Vorratsraum. Dort wartete Meister Krudener mit blassem Gesicht noch immer auf sie. Trine machte sich von Almut los und stürzte sich in seine Arme. Er umfing sie, hielt sie fest an sich gedrückt und murmelte unablässig beruhigende, zärtliche Worte.
    Almut steckte die fast heruntergebrannte Fackel in eine Wandhalterung und machte sich daran, die Edelsteine aus ihrer Tasche zu klauben. Sechs ausgewählt schöne Juwelen waren es, die da in ihrer Hand lagen. Sie legte sie sorgsam auf den Tisch, auf dem einige Kästen, Dosen und Flaschen standen.
    Endlich sah der Apotheker auf. Noch immer Trine an seine Brust gedrückt, fragte er: »Was ist mit den Männern?«
    »Esteban kämpfte mit Claas. Pater Ivo wollte bleiben. Der Schreinemaker hat Trine mit dem Messer bedroht.«
    »Kind, bist du verletzt?«
    Vorsichtig schob er das zitternde Mädchen ein Stück von sich und stellte ihm noch einmal langsam die Frage.
    »Sie blutet etwas am Hals«, stellte Almut fest. »Hat er dir etwas angetan?«
    »Nein. Nur an den Haaren gerissen und mich herumgestoßen.«
    »Geht nach oben, Frau Almut, und am besten bringt Ihr Trine in ihre Kammer.«
    »Nein, Meister Krudener. Ich will hierbleiben und warten.«
    »Ich will auch hierbleiben!«
    Almut setzte sich auf ein Fass, und Trine gesellte sich zu ihr. Sie wirkte noch immer zitterig, und der Apotheker verschwand, um eine beruhigende Arznei zu holen.
    »Das mit den Edelsteinen hast du gut gemacht, Trine.«
    »Ich wusste, der Meister würde mich suchen.«
    »Er hat mich aus der Messe geholt.«
    Almut erzählte ihr, wie sie sie gefunden hatten, und allmählich wurde das Mädchen ruhiger. Aber Almut selbst wurde immer unruhiger, und als Meister Krudener zurückkam, bat sie ihn um eine Lampe.
    »Ich will noch mal hinuntergehen. Vielleicht brauchen sie Hilfe.«
    »Frau Almut, Ihr könnt wenig ausrichten, wenn Männer um ihr Leben kämpfen. Bleibt hier. Sonst geratet auch Ihr noch in Gefahr.«
    »Trotzdem. Bitte. Ich will ihnen nur entgegengehen. Ihnen Licht bringen. Die Fackel wird ausbrennen.« Sie deutete auf die verlöschende Flamme an der Wand.
    »Sie werden schon zurückfinden.«
    »Wenn sie verletzt sind? Wenn Ivo … Bitte, gebt mir die Lampe!«
    »Ihr seid entsetzlich. Da, nehmt die Öllampe. Und seht Euch vor.«
    Noch einmal stieg Almut in die Tiefen hinab, lauschend, auf jedes Anzeichen achtend. Sie war bis zur zweiten Abbiegung gekommen, als sie das keuchende Stöhnen hörte.
    »Lasst mich hier, Pater. Es geht nicht.«
    »Ich werde den Teufel tun. Legt den Arm um meinen Hals, ich trage Euch.«
    Ein Schmerzenschrei folgte, und Almut lief ihnen entgegen!
    »Pater Ivo!«
    »Herrgott, Begine, Ihr werdet...«
    »...Euch heimleuchten. Gebt mir die Fackel. Ihr könnt Esteban und sie nicht gleichzeitig tragen.«
    Dann sah sie den Mann am Boden liegen. Schmerzverkrümmt und blutverschmiert.
    »Heilige Mutter der Barmherzigkeit, nehmt ihn. Er muss in die Apotheke. Soll ich Euch helfen?«
    Der Benediktiner trat die fast ausgebrannte Fackel aus und beugte sich über den Verletzten.
    »Es wird schon gehen.«
    Aber es war ein anstrengender Weg zurück. Esteban hatte das Bewusstsein verloren, und das war vermutlich das Beste für ihn.
    »Der Schreinemaker?«, fragte Almut einmal, als Pater Ivo verschnaufte.
    »Tot.«
    »Gut!«
    Sie kämpften sich schweigend voran.
    Krudener wartete schon unten in der Grabkammer, auch unruhig geworden. Er half dem Benediktiner, den Reliquienhändler nach oben zu tragen, und gab Almut die Anweisung, die Tür zum Baderaum zu öffnen.
    Dort, im hellen Tageslicht, erschütterten sie die Wunden noch mehr, die er erhalten
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