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Die Elfen

Die Elfen

Titel: Die Elfen
Autoren: Bernhard Hennen , James Sullivan
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umliegende Land gewährte. Direkt vor ihnen lag eine weite Klamm, die aussah, als hätte hier einst Naida die Wolkenreiterin mit einem gewaltigen Blitzschlag den felsigen Boden gespalten. Ein schmaler, aus dem Stein geschlagener Weg führte hinab zu einer Brücke, die sich in kühnem Bogen über den Abgrund spannte.
    Jenseits der Klamm stieg das Land in sanften Hügeln an, die zum Horizont hin in graue Berge übergingen. Über den jenseitigen Rand der Klippe ergoss sich eine Vielzahl kleiner Bäche schäumend in den Abgrund.
    »Shalyn Falah, die weiße Brücke«, sagte Aigilaos ehrfurchtsvoll. »Es heißt, sie sei aus einem Fingerknöchelchen der Riesin Dalagira geschnitten. Wer sie überschreitet, betritt das Herzland von Albenmark. Es ist sehr lange her, dass ein Menschensohn diesen Ort zu sehen bekam.«
    Das Mannpferd machte sich an den Abstieg in die Klamm. Der Boden aus glattem Fels war mit Gischtwasser benetzt. Vorsichtig tastete es sich abwärts und fluchte dabei herzhaft in einer Sprache, die Mandred nicht verstand.
    Als sie einen breiten Felssims erreichten, bat Aigilaos Mandred abzusteigen. Vor ihnen lag die Brücke. Sie war nur zwei Schritt breit und zur Mitte des Weges hin leicht gewölbt, sodass das Sprühwasser sich nicht in Pfützen sammelte, sondern ablief. Es gab kein Geländer.
    »Wahrlich ein wunderschönes Bauwerk«, murmelte Aigilaos missmutig. »Nur haben die Erbauer nicht daran gedacht, dass es vielleicht Geschöpfe mit beschlagenen Hufen geben könnte. Es ist besser für dich, wenn du auf eigenen Füßen die Brücke passierst, Mandred. Man erwartet dich auf der anderen Seite. Ich werde einen Umweg nehmen und wohl erst in der Nacht auf der Burg eintreffen. Dich aber erwartet die Herrin zur Stunde der Dämmerung.« Er lächelte schief. »Ich hoffe, du bist schwindelfrei, Krieger.«
    Mandred hatte ein flaues Gefühl, als er die spiegelglatte Brücke betrachtete. Aber er würde diesem Mannpferd seine Angst nicht zeigen! »Natürlich bin ich schwindelfrei. Ich bin ein Krieger aus dem Fjordland. Ich kann klettern wie eine Ziege!«
    »Zumindest bist du so haarig wie eine Ziege.« Aigilaos grinste frech. »Wir sehen uns am Hof der Herrin.« Der Kentaur wandte sich ab und erklomm zügig den steilen Pfad zum Rand der Klamm.
    Mandred betrachtete die Brücke. In den Märchen vom Feenland mussten die sterblichen Helden meist eine Prüfung bestehen. War das hier seine Prüfung? Hatte das Mannpferd ihn hinters Licht geführt?
    Es war müßig, sich darüber den Kopf zu zerbrechen! Entschlossen trat Mandred auf die Brücke. Er war überrascht, mit den Sohlen seiner Winterstiefel guten Halt zu finden. Vorsichtig setzte er einen Fuß vor den anderen. Feines Sprühwasser perlte von seinem Gesicht.
    Der Wind griff mit unsichtbaren Fingern nach seinem Bart. Bald war Mandred weit über dem Abgrund. In immer dichteren Wolken zog das Sprühwasser über die Brücke. So musste sich ein Vogel in luftiger Höhe fühlen, mitten zwischen Himmel und Erde.
    Neugierig musterte er den steinernen Boden. Nirgends war eine Fuge zu entdecken. Es schien ganz so, als wäre die Brücke tatsächlich aus einem einzigen Stein geschnitten. Oder war die Brücke in Wahrheit aus dem Fingerknöchelchen einer Riesin gefertigt, so wie Aigilaos es behauptet hatte? Sie war glatt wie poliertes Elfenbein. Mandred verscheuchte den Gedanken. Eine Riesin von dieser Größe hätte das ganze Fjordland unter sich begraben, wenn sie gefallen wäre. Diese Geschichte konnte nur ein Märchen sein.
    Je weiter er kam, desto übermütiger wurde Mandred. Schließlich trat er dicht an den Rand der Brücke und blickte in den Abgrund. Die Tiefe hatte etwas Anziehendes. Sie erweckte in ihm den Wunsch, einfach zu springen. Sich der Freiheit des Falls hinzugeben. Je länger er hinabsah, desto stärker wurde sein Wunsch, diesem Lockruf nachzugeben.
    »Mandred?« Aus den Dunstschleiern trat eine hoch gewachsene, schlanke Gestalt. Sie war ganz in Weiß gekleidet. Die linke Hand ruhte auf dem Knauf des Schwertes am Gürtel.
    Mandreds Rechte wollte im Reflex dorthin greifen, wo für gewöhnlich seine Axt im Gürtel steckte. In diesem Augenblick wurde ihm bewusst, dass er unbewaffnet war.
    Sein Gegenüber hatte die Bewegung durchaus bemerkt. »Ich bin nicht dein Feind, Menschensohn.« Er strich sich mit nachlässiger Geste das Haar aus dem Gesicht. »Mein Name ist Ollowain. Ich bin der Wächter der Shalyn Falah. Meine Königin hat mich beauftragt, dich das letzte Stück Weg
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