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Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)

Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)

Titel: Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)
Autoren: Jessica Khoury
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als sähe er mich zum ersten Mal. Ich schaue ihn genauso an und sehe, wie sich eine Zukunft vor mir ausbreitet, die ich nie für möglich gehalten hätte.
    Seit der Nacht, in der Eio mir zum ersten Mal den Fluss zeigte, spürte ich eine Verbindung zwischen ihm und mir, als seien wir durch ein unsichtbares Band miteinander verknüpft. Dennoch war immer ein Graben zwischen uns, den keine Brücke überspannen konnte. Er war sterblich, ich unsterblich. Wenn er mich berührte oder festhielt, spürte ich diesen einen, unüberwindlichen Unterschied wie die kalte Schneide eines Messers zwischen uns. Selbst wenn es mir gelang, sie wegzuschieben und mir vorzugaukeln, sie sei nicht da, selbst in Momenten, in denen dieses prickelnde Gefühl des Einfach-nur-bei-ihm-Seins alles andere überlagerte, drängte sich die Wahrheit früher oder später wieder in den Vordergrund. Wie oft habe ich mich von seiner Sterblichkeit vertreiben lassen?
    Doch jetzt ist alles anders. Wenn er mich jetzt berührt, spüre ich nichts als Eio, rein und ganz und vollkommen. Wenn ich jetzt in seine Augen schaue, sehe ich nicht den Tod – sondern die Ewigkeit. Zum ersten Mal in meinem Leben schaue ich jemandem in die Augen und merke, dass jeder von uns genau weiß, was der andere meint.
    Es ist ein wunderschöner Tag. Die Sonne ergießt sich über den Fluss und die Blätter und verwandelt alles in weißes Gold. Endlich weiß ich auch, weshalb ich das Gefühl habe, etwas stimmt nicht mit mir. Meine Sinne sind nicht mehr so ausgeprägt. Ich höre, rieche und sehe nicht mehr so gut wie vorher. Es kommt mir vor, als bewegte ich mich langsamer. Zum ersten Mal in meinem Leben fühle ich mich schwerfällig. Nicht ganz eins mit meinem Körper. Wenn ich versuche mich zu erinnern, liegt vieles im Nebel. Gewisse Momente ragen heraus, immer noch glasklar, aber an so viele andere komme ich nicht mehr heran, als lägen sie unter einer milchigen Eisschicht.
    Und doch… ist die Welt nicht weniger hell. Der Wind auf meiner Haut und in meinem Haar ist so sanft und kühl wie immer; das Vogelgezwitscher in den Bäumen noch genauso lieblich. Eios Rauch-und-Papaya-Duft ist noch genauso berauschend wie vorher. Langsam dämmert mir, was den Unterschied ausmacht zwischen der Art, wie ich die Welt gestern sah und wie ich sie heute sehe. Es entschädigt mich für meine weniger scharfen Sinne und macht die Welt um mich herum sogar ein wenig heller.
    Hoffnung.
    Ich greife in meine Tasche und ziehe meinen Anhänger heraus. Der steinerne Vogel baumelt zwischen uns, als ich ihn an dem Faserband hochhebe. Dann gebe ich ihn Eio. »Ami hat mir gesagt, was das hier bedeutet.«
    Er blickt von dem Vogel zu mir. »Hat sie das?«
    »Solange ich es trage, gehöre ich anscheinend dir.« Ich hebe eine Augenbraue. »Ganz schön raffiniert, Eio.«
    Ich drehe mich um und hebe meine Haare hinten an, damit er das Band im Nacken verknoten kann. Er tut es und ich lasse mein Haar wieder herunter. Dann berührt seine Hand meine Schulter und er legt seine Lippen dicht an mein Ohr.
    »Ich dachte, ich hätte dich verloren, als ich dich mit dieser Blüte gesehen habe«, flüstert er. »Ich dachte, jetzt ist alles aus. Wenn du gestorben wärst, Pia, hätte ich nicht weiterleben können.«
    »Komisch, dasselbe habe ich vor gar nicht allzu langer Zeit auch über dich gedacht.«
    »Das ist absolut nicht komisch!«
    »Ich weiß.« Ich drehe mich zu ihm um. »Tut mir leid.«
    Sein Haar hängt ihm in die Augen und ich streiche es zurück. »Eio, es tut mir schrecklich leid wegen… Onkel Antonio.« Mein Hals wird eng und ich blinzle Tränen weg. »Ich würde alles geben, wenn ich in der Zeit zurückgehen und ihn daran hindern könnte.«
    Er senkt den Blick. »Ich weiß. Ich auch.«
    Das Bild, wie Onkel Antonio zusammenbricht, als das Elysia in seine Adern gelangt, ist mir überdeutlich in Erinnerung. Ich fürchte, dass es, im Gegensatz zu so vielem aus meiner Vergangenheit, nie verblassen wird.
    »Er erhält ein ai’oanisches Begräbnis«, sagt Eio. »Das hätte ihm gefallen.«
    Ich nicke und dann kommen die Tränen. Ich drücke mein Gesicht an Eios Schulter und weine. Wir sitzen an dem bemoosten Ufer und er hält mich, während ich weine. Auch er hat Tränen in den Augen. Augen, die denen seines Vaters so ähnlich sind. Ich weiß nicht, wie lange wir so sitzen. Ich weine aus Trauer um Onkel Antonio, aus Wut über meine Mutter, Erleichterung darüber, dass Eio lebt, und über meine eigene Schuld an allem, was
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