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Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)

Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)

Titel: Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)
Autoren: Jessica Khoury
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Blüte muss ans Ufer getrieben worden sein, als alle anderen flussabwärts schaukelten. Ich blicke übers Wasser, sehe jedoch keine weiteren. Nur diese eine, einsame Blüte. Kaum auszumachen im Schatten des Bootes.
    »Onkel Paolo«, sage ich, »ich muss mich einen Moment setzen. Ich will… mich verabschieden.«
    Er runzelt die Stirn und nickt zerstreut. Der stotternde Bootsmotor macht ihm mehr zu schaffen. Gut. Das ist gut.
    Langsam lasse ich mich auf einem bemoosten Felsen am Ufer nieder. Wenigstens weiß ich jetzt, was ich zu tun habe.
    Ich atme tief durch. Und noch einmal. Die Luft im Dschungel ist feucht. Früher dachte ich, sie sei vergleichbar mit einem Bad im Schwimmbecken von Little Cam. Es ist, als atmete man den Dschungel selbst ein. Jeder Atemzug ist mit Orchideenduft versetzt.
    Perfekt ist nur, wer sich perfekt verhält.
    Ich fische die Blüte aus dem Wasser und küsse die kühlen, samtweichen Blütenblätter. In diesem Moment dreht Paolo sich um. Er reißt die Augen auf und macht einen Satz auf mich zu – und ein grün gefiederter Pfeil trifft seine Brust.
    Der Aufprall ist so stark, dass er rückwärts in den Fluss stolpert. Das Wasser reicht ihm bis zu den Knöcheln und er schwankt. Entsetzt blickt er auf den Pfeilschaft, der aus seiner Brust ragt. Die anderen Wissenschaftler schreien durcheinander und wollen ihm helfen, doch mit einem Mal weichen sie zurück. Ihre Blicke sind auf etwas hinter mir gerichtet.
    Eine Hand greift nach meiner und zieht die Blüte von meinen Lippen.
    Ich kenne diese Hand.
    Eio. Mein Eio, bleich und mitgenommen, aber am Leben. Seine verletzte Schulter ist blutig. Aus Blättern hat er eine Art Verband über die Schusswunde gelegt. Er ist schmutzig und zerzaust, in seinem Haar hängen Ästchen und Blätter, aber er ist am Leben, alles andere ist Nebensache.
    »Hast du davon getrunken?« Sein Blick ist wild, verzweifelt sucht er meinen.
    »Die anderen…« Ich zeige auf die übrigen Wissenschaftler, die uns schockiert anstarren. Paolo sinkt im Fluss auf die Knie. Seine Hände krallen sich in die Uferböschung, der Mund steht offen, er spuckt Blut.
    »Du Idiot«, flüstert er mit Blick auf Eio. »Begreifst du überhaupt, was du angerichtet hast?« Er fingert an dem Pfeilschaft herum, doch seine Kräfte verlassen ihn. »Nein, nein, nein… Ich habe… noch so viel Arbeit zu… Pia…«
    Ich sehe seinen irren Blick, er versengt meine Haut. Mein Magen fühlt sich an, als hätte ich eine brennende Fackel verschluckt. Ich gehe auf die Knie, krieche zum Wasser und berühre Paolos Hand. Eios Protest ignoriere ich.
    »Es tut mir leid«, entschuldige ich mich mit schwacher Stimme. »Das habe ich nicht gewollt.«
    Er spuckt wieder Blut und keucht: »Du hast alles… kaputt gemacht.«
    Jetzt kann ich sie nicht mehr aufhalten. Meine Tränen fließen ungehemmt. Ich spüre Eios Hand auf meiner Schulter. Er versucht mich zurückzuziehen, doch ich halte dagegen. Etwas muss ich noch wissen.
    Als Paolo die Hand ausstreckt und versucht, meine Tränen aufzufangen, frage ich: »Was ist Geneva? Als Strauss dir gedroht hat, habe ich gehört, wie sie gesagt hat: ›Erinnern Sie sich an Geneva?‹ Was hat sie damit gemeint?«
    Langsam wendet er mir den Blick zu. Seine Augen werden schon trübe und ich weiß, dass er nur noch Sekunden zu leben hat. »Geneva«, wiederhole ich.
    »Nicht… was.« Seine Gesicht wird grau, die Atmung schwach. »Wer. Geneva… hat für Corpus gearbeit –« Er hustet und wieder wird der Boden rot von Blut. »Sie sollte diesen Job – und ich… wollte ihn haben. Unbedingt. Um ins Immortis-Team zu kommen… habe ich sie vergiftet.«
    Er kippt nach vorn auf die Böschung und der Pfeil zerbricht unter ihm. »Später habe ich erfahren… dass sie… mein Wickham-Test war.«
    Ich weiche zurück. Das bisschen Mitleid, das ich für ihn empfand, ist dahin.
    Er hebt den Blick, schaut mich an. »Alles… es war alles… für dich.«
    Wie aus einem Ventil entströmt der Atem zischend seinem Mund. Er atmet nicht wieder ein.
    Es hat etwas Unwirkliches, wie er da liegt, die Beine im Wasser, das Gesicht im Dreck. Das eine Auge, das ich sehen kann, schaut ausdruckslos auf einen Stein am Ufer. Paolo – tot? Es scheint unmöglich, genauso wie die Vorstellung von trockenem Wasser oder einer kalten Sonne. Ich bekomme Gänsehaut auf den Armen und meine Zunge fühlt sich taub an.
    Ich hatte mir vorgestellt, Geneva sei vielleicht etwas wie Tante Harriets Evie, etwas Gutes, etwas Edles aus seiner
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