Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)

Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)

Titel: Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)
Autoren: Jessica Khoury
Vom Netzwerk:
zwischen den Blättern. Einen Moment stehe ich reglos da, dann rufe ich: »Alai! Alai, komm!«
    Er tritt aus dem Gebüsch heraus, bleibt im weichen Boden der Uferböschung stehen und schaut zu mir herüber. Ich habe diesen Blick schon einmal gesehen, nach der Nacht, die ich in Ai’oa verbrachte, als Alai in den Dschungel lief und fast nicht zurückgekommen wäre. Nach einer endlos langen Minute nicke ich. »Leb wohl.«
    Als hätte er verstanden, senkt er seinen gefleckten Kopf, dann dreht er sich um. Mein Herz wird schwer, als ich meinen ältesten Freund im Dschungel verschwinden sehe. Doch einen Augenblick später ist es wieder leicht.
    Es ist Zeit für uns beide, in Freiheit zu leben.

36
    »Seid ihr sicher, dass er zurückkommt?«, fragt Burako. »Woher wollen wir wissen, was diese Fremden tun? Wenn ihr mich fragt, gehen sie einmal in diese Richtung und im nächsten Augenblick in die andere. Ohne Sinn und Verstand. Woher wollt ihr es also wissen?« Er schüttelt den Kopf.
    »Kennt nicht der Jäger die Eigenarten des Tapirs?«, erwidert Achiri ruhig. »Genauso kennt unsere Pia die Eigenarten der Fremden. Hört auf sie.«
    »Er wird kommen«, versichere ich. Es kostet mich immer noch Mühe, mich auf diese Sache zu konzentrieren und nicht ständig an Eio zu denken. Bitte sei in Sicherheit. Bitte sei in Sicherheit… »Sein Lebenswerk bricht um ihn herum zusammen und diese Schlucht ist das Zentrum von allem. Er wird kommen.«
    Wir haben uns rund um die Falkschlucht – oder um das, was einmal die Falkschlucht war – auf die Lauer gelegt. Jetzt ist es einfach nur eine kahle Senke im Dschungel, eine bemooste Wunde, die innerhalb weniger Tage wieder grün und verheilt sein wird. Die üblichen Orchideen, Farne und Helikonien werden die Wunde bedecken und der Dschungel wird vergessen, was hier einmal wuchs. Elysia ist ausgerottet. Unwiederbringlich. Nur die Ai’oaner und die Wissenschaftler, denen die Flucht aus dem Dschungel gelingt, werden sich daran erinnern.
    Es wird dunkler; nur noch eine Stunde bis Sonnenuntergang. Ich bin ganz sicher, dass Paolo früher oder später kommt, um zu sehen, ob alles in Ordnung ist in der Schlucht. Aber vielleicht müssen wir bis morgen früh auf ihn warten.
    Ich schließe die Finger um den steinernen Vogel in meiner Tasche. Oh, Eio, wo bist du?
    »Pssst, er kommt.« Kapukiri steht aufrecht da, die Augen geschlossen. Mit beiden Händen hält er einen langen Stab vor sich. Mein Herz schlägt schneller, da ich annehme, er meint Eio, aber dann sehe ich, dass dem nicht so ist.
    Ich trete auf die Lichtung, als Paolo am anderen Ende auftaucht. Ohne mich umzudrehen, weiß ich, dass die Ai’oaner hinter mir jetzt nicht zu erkennen sind.
    Paolo kommt langsam zum Stehen und starrt auf die verwüstete Schlucht. Sein maskenhafter Gesichtsausdruck droht zu zerbröckeln. Wut überkommt ihn, heiß und brodelnd wie Lava. Bald tauchen auch die anderen auf: Timothy, der Rest des Immortis-Teams, meine Mutter, diverse andere Wissenschaftler und Arbeiter. Keine Tante Harriet, kein Vater. Ich hoffe, den beiden ist die Flucht gelungen.
    Alle sind bewaffnet und wirken erschöpft. Konnten sie irgendetwas retten? Vielleicht sind die Ameisen in ein paar Tagen weg, weitergezogen, und sie können zurück und ihr Hab und Gut und ihre Ausrüstung in Sicherheit bringen. Warum denke ich überhaupt an so etwas? Little Cam ist nicht mehr mein Zuhause. Das sind nicht mehr meine Probleme.
    »Du hast heute etwas Schreckliches getan, Pia.« Onkel Paolos Stimme klingt gepresst. »Etwas ganz, ganz Schreckliches.«
    »Du hast viele schreckliche Dinge getan. Ich denke, wenigstens eines steht mir auch zu.«
    Mit einer zornigen Geste weist er auf die verwüstete Schlucht. »Das ist dann also dein Vermächtnis? Der einzige unsterbliche Mensch auf dieser Erde – und das gibst du zurück? Du willst deine eigene Rasse wegen einer Laune auslöschen. Wegen einer hormongesteuerten Bindung an einen jungen Wilden?«
    »Mit Wilden kenne ich mich aus«, erwidere ich. »Ich wurde von ihnen erzogen.«
    »Versuch nicht, mir die Worte im Mund herumzudrehen, Mädchen. Ich habe dich zu dem gemacht, was du bist. Und ich kann dich auch vernichten.«
    »Du wirst sie nicht anrühren, Karaíba.« Luri kommt aus der Deckung und stellt sich neben mich. Darauf wirbeln die Ai’oaner wie Blätter aus dem Dschungel und umringen uns. Die Wissenschaftler weichen zurück und legen ihre Gewehre an. Doch auf jedes Gewehr richten sich fünf Giftpfeile.
    Burako
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher