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Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)

Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)

Titel: Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)
Autoren: Jessica Khoury
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umschließe ich ihn noch fester mit den Händen.
    Es gibt zwei Laborgebäude in Little Cam. Wir kommen zum Block B, wo Mutter schon auf uns wartet. Sie trägt den gestärkten weißen Kittel und zieht sich Latexhandschuhe über. Mit einem klatschenden Geräusch legen sie sich um ihre Handgelenke.
    »Ist alles bereit, Sylvia?«, fragt Onkel Paolo.
    Sie nickt und geht voraus, durch eine Tür nach der anderen. Endlich bleiben wir vor einem kleinen, kaum genutzten Labor kurz vor dem alten Gebäudeteil stehen. Dieser alte Flügel wurde vor Jahren durch ein Feuer zerstört. Die Tür zu dem ausgebrannten Gang ist abgesperrt. Der Rost am Türknauf sagt mir, dass sie seit Jahren nicht mehr geöffnet wurde.
    Regale, Schränke und Waschbecken aus Edelstahl säumen die Wände im Labor. Sie alle fangen mein Spiegelbild ein und geben es verzerrt wieder. Mitten im Raum steht ein Aluminiumtisch mit jeweils zwei Stühlen auf jeder Seite und einem Metallkäfig obendrauf.
    »Setz das Versuchsobjekt Nr. 557 hinein«, sagt Onkel Paolo und ich lasse den Vogel in den Käfig hüpfen. Dieser ist gerade groß genug, dass er einen engen Kreis fliegen kann. Er wirft sich gegen das Metallgitter und landet dann auf dem Boden, die Flügel unnatürlich abgespreizt. Einen Augenblick später fliegt er wieder auf und wehrt sich mit heftigem Flügelschlag gegen seine Gefangenschaft.
    Dann bemerke ich die Drähte, die sich vom Käfig zum Tisch schlängeln, dann nach unten und über den Boden bis zu einem kleinen Generator unter der Augendusche für eventuelle Notfälle.
    Mir stockt der Atem und ich schaue kurz zu Onkel Paolo hinüber, ob er meine Reaktion bemerkt hat. Nein, er hat ein Klemmbrett vor sich und füllt ein paar Formulare aus.
    »Dann wollen wir mal, Pia.« Er redet und schreibt gleichzeitig. Der Vogel landet erneut und fliegt wieder auf, klammert sich mit seinen kleinen Krallen seitlich am Käfig fest. Onkel Paolo reicht mir das Klemmbrett. »Setz dich. Gut. Hast du einen Stift dabei?«
    Ich habe keinen, weshalb er mir seinen gibt und einen neuen aus der Kitteltasche zieht.
    »Was soll ich tun?«, frage ich.
    »Mach dir Notizen. Schreib alles auf. Diesem Versuchsobjekt wurden regelmäßige Dosen eines neuen Serums verabreicht, das ich aus Suma entwickelt habe.«
    Suma. Pfaffia paniculata, ein allgemein bekanntes Stimulans, für das es aber wahrscheinlich weitere Dutzende Anwendungsgebiete gibt, die bisher noch nicht erforscht wurden. »Dann… soll der Test also zeigen, ob das Versuchstier mit dem… Stress dieses Tests besser umzugehen weiß als ein unbehandeltes Kontrollobjekt.«
    »Richtig«, lobt er und lächelt. »Ausgezeichnet, Pia. Dieses Serum – ich nenne es E13 – sollte dem Vogel noch einmal einen Energieschub geben, wenn er eigentlich am Ende seiner Kräfte ist.«
    Ich nicke. Ein solches Serum könnte sich in der Medizin auf tausend verschiedene Arten als nützlich erweisen.
    »Keine Computer heute«, informiert Onkel Paolo mich. »Keine Instrumente. Verlasse dich allein auf deine geistigen Fähigkeiten. Beobachte. Dokumentiere. Die Auswertung kommt später. Du kennst die Vorgehensweise.«
    »Ja.« Mein Blick geht kurz zu dem Vogel. »Ich kenne sie.«
    »Sylvia!« Onkel Paolo schnippt mit den Fingern und meine Mutter knipst einen Schalter am Generator an. Ich spüre die Energie, bevor sie den Käfig erreicht, ein schwaches Vibrieren, das knisternd durch die Drähte zu meinen Füßen läuft. Die Härchen an meinen Armen stellen sich auf, als würde die Elektrizität in mich gepumpt.
    Der Käfig beginnt zu summen, der Vogel zuckt und kreischt und flattert hektisch auf, nur um an das Metall zu stoßen und den nächsten Stromstoß zu bekommen. Ich beuge mich vor und beobachte ihn genau und erkenne den Augenblick, in dem der Vogel weiß, dass er nicht landen kann. Die Pupillen ziehen sich zusammen, er plustert sein Gefieder auf und beginnt im Kreis herumzuflattern, beschreibt enge Runden, bei denen einem schwindelig werden könnte.
    Mir ist schlecht, doch ich will mir vor Onkel Paolo nichts anmerken lassen. Er lehnt sich zurück, die Hände auf dem Klemmbrett gefaltet. Er ist nicht hier, um den Sperling zu beobachten.
    Er beobachtet mich.
    Ich senke den Kopf und zwinge mich, etwas zu schreiben. Ammodramus aurifrons – Gelbwangenammer, Ordnung: Sperlingsvögel, kommt gewöhnlich in weniger dichten Bereichen des Regenwaldes vor. Ich schaue wieder hoch und beobachte den Vogel. Beobachte Onkel Paolo, wie er mich beobachtet. Ich achte
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