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Die einzige Blume im Sumpf - Geschichten aus Ägypten

Die einzige Blume im Sumpf - Geschichten aus Ägypten

Titel: Die einzige Blume im Sumpf - Geschichten aus Ägypten
Autoren: Lenos Verlag
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Zimmer stand eine Gruppe von Leuten. Auch die Hausbesitzerin war da und versperrte mit ihrem wuchtigen Körper die Tür.
    »Dass ja keiner von euch da reingeht, bevor der Doktor vom Gesundheitsamt da war und den Schein ausgestellt hat«, warnte sie.
    Als sie Husnîja, Tränen in den Augen, näher kommen sah, fragte sie erstaunt: »Du hast schon davon erfahren, Husnîja?! Du bist wirklich ein anständiges Mädchen, dass du so schnell gekommen bist. Gib mir deinen Verdienst von heute, damit wir alles Erforderliche für das Begräbnis unternehmen und dem Seligen, mit Gottes Hilfe, morgen früh das letzte Geleit geben können.« Dann wandte sie sich an die anderen Nachbarn und warnte nochmals: »Dass ja keiner von euch etwas von Onkel Hassans Sachen anrührt. Ich gedenke nämlich, mit des Allmächtigen Zustimmung all das zu verkaufen und damit die Mietschulden für die letzten Monate zu begleichen, die er bei mir noch hat.«

Sainât beim Präsidentenbegräbnis
    Eigentlich hiess sie Sainât, aber alle nannten sie Snât, sogar Abduh der Barbier setzte, wenn er in ihrem Namen wieder einmal einen Brief an den Präsidenten geschrieben hatte, mit dem sie eine rege Korrespondenz führte, unter den Text den Namen »Snât Muhammad Ali«, und zwar, indem er ihr den Stift fest in die Hand drückte, dann seine eigene Hand über die ihrige legte und beide gleichzeitig führte, damit so die Unterschrift wirklich von ihr sei. Um das noch zusätzlich zu bekräftigen, befeuchtete er mit Spucke den Kopierstift und bestrich mit diesem ihren Daumen, bis sich ein solider lila Fleck bildete, der über den gemeinsam geschriebenen Buchstaben des Namens einen deutlich konturierten Daumenabdruck hinterliess.
    Man darf wohl sagen, dass sich während der letzten Lebensjahre des Präsidenten zwischen ihm und Sainât eine besondere Art der Beziehung entwickelt hatte. Und obwohl sich die beiden während all dieser Zeit nie persönlich getroffen hatten, wäre es doch, trotzdem, problematisch zu behaupten, es habe sich dabei um eine einseitige Beziehung gehandelt. Sie hatten sich zwar nie getroffen, und Sainât hatte nie die Möglichkeit gehabt, direkt das Wort an ihn zu richten und ihm mit eigener Zunge zu sagen, was sie ihm gerne gesagt hätte. Doch die fortwährende Verbindung zwischen den beiden ermutigte sie dazu, einen ihrer Meinung nach auch in den kleinsten Einzelheiten todsicheren Plan auszuarbeiten. Aber die Tage und dann die Stunde der Umsetzungin die Tat erwiesen ihn als Fehlschlag, wie sie es nie für möglich erachtet hatte.
    Mehr noch, sogar Abduh der Barbier schimpfte sie heftig aus und warnte sie vor der Wiederholung ihres verrückten Tuns. Denn Gott habe sie diesmal geschützt, es wäre aber sehr gut möglich gewesen, dass man sie, ja, Sainât, mitgenommen und sie weit weg in ein finsteres Loch gesteckt hätte, dessen Tiefe auch die blauen Dschinnen nicht kennen. Auch dass sie töricht wäre, sagte er, wenn sie sich eingebildet hätte, man würde ihr erlauben, dem Präsidenten der Republik so nahezukommen, dass sie ihm womöglich selbst die Hand schütteln und ihm die Bittschrift überreichen könnte. Ob sie denn die Soldaten und die Geheimpolizisten und die Wächter vergessen hätte, von denen er umringt ist, wo immer er hingeht.
    Tatsächlich waren Abduhs gute Ratschläge an Sainât nicht mehr, als was sie inzwischen wusste, denn sie hatte jedes Wort, das er sagte, am eigenen Leib erfahren. Obwohl sie sich nämlich schon im frühesten Morgengrauen an einer Strassenecke verborgen hatte, von der sie wusste, dass der Präsident sie nach jedem Freitagsgebet passierte, und obwohl sie infolgedessen einen Platz sehr weit vorne in der Menge ergattern konnte, die scharenweise heranströmte, um den Präsidenten zu grüssen – das war, nachdem ein Schüler für sie ein Briefchen geschrieben hatte, das Sainât dem Präsidenten zu übergeben beabsichtigte und das aus nur wenigen Worten bestand, ohne Füllsel, nämlich folgendermassen: »Sainât grüsst Dich und möchte wissen: Was hast Du in besagter Sache unternommen?« –, trotz all dem wurde sie dann in dem Augenblick, als sie den Eindruck hatte, dasAuto des Präsidenten sei nahe genug, dass sie nur schnell einen Schritt darauf zumachen und vor ihn hintreten müsste, um ihm die Hand zu schütteln und das Briefchen zu übergeben, wurde sie dann, ohne zu wissen, wie ihr geschah, von Dutzenden von groben Händen, Soldaten- und anderen Männerhänden, überrascht, die plötzlich da waren, als
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