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Die einsamen Toten

Titel: Die einsamen Toten
Autoren: S Booth
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meisten Besucher von Withens hatten Schirme bei sich oder trugen Nylonjacken mit Kapuzen, die sie gegen den leichten Regen über den Kopf gezogen hatten. Wenigstens würde Eric Oxley die Brunnenverkleidung heute nicht gießen müssen.
    Ben Cooper hatte sich am Rand einer kleinen Menge postiert, die den Brunnenschmuck umringte. Beim Anblick der Touristen war ihm eingefallen, dass er für den Nachmittag eine weitere Verabredung mit Peggy Check getroffen und sie schon wieder versetzt hatte. Er hoffte, sie würde es verstehen. Es gab bereits zu viel in seinem Leben, das er nur schwer erklären konnte.
    Cooper musste nicht lange warten, bis Diane Fry kam und sich neben ihn stellte.
    »Na, wie waren die Renshaws?«, fragte er.
    Fry zuckte verkrampft die Schultern in einer für sie charakteristischen Geste. »Sarah Renshaw hat mich gezwungen, mir ein Video von Emma anzusehen. Eine Auswahl von Erinnerungen, sozusagen eine Sonderedition. In einer Szene sah man Emma mit schwarz geschminktem Gesicht und Blockflöte zusammen mit den Border Rats.«
    »Das tut mir Leid.«
    »Komischerweise war auch Neil Granger in dieser Aufnahme zu sehen.«
    Cooper hatte weder einen Schirm noch eine Regenjacke dabei und spürte, wie die ersten Regentropfen über seinen Kragen rannen.
    »Welche Fortschritte gibt es im Fall Philip Granger?«, wollte er wissen.
    »Wir glauben, dass er so gut wie überführt ist, seinen Bruder
getötet zu haben. Jetzt kommt es auf die Anwälte an, ob er wegen Mordes oder wegen Totschlags angeklagt wird.Wir können ihm keinen Vorsatz nachweisen.«
    »Wusste einer der Oxleys davon, dass es Philip war, der seinen Bruder getötet hatte?«
    »Sie sagen nein. Und weißt du was, Ben, ich denke, ich glaube ihnen das sogar.«
    »Vielleicht sind sie einfach nicht auf die Idee gekommen. Schließlich gehört er zur Familie.«
    »Wir können uns alle täuschen, was die Familie angeht.«
    »Ja.«
    »Aber um Philip Granger des Mordes an Emma Renshaw anzuklagen, fehlen uns die Beweise. Jedenfalls, solange Emmas Leiche nicht gefunden wird. Immerhin haben wir anhand der Fingerabdrücke denjenigen aufgespürt, der ihr Handy geklaut hat. Es war übersät von Abdrücken, sogar auf den blutigen Stellen waren welche. Sie haben ihn in Matlock aufgetrieben, und er hat uns erzählt, wo er das Telefon gefunden hat.«
    »Und? War es Emmas Blut?«
    »Es stimmte mit ihrer DNS überein.«
    »Er hat also das Telefon an sich genommen, festgestellt, dass es nicht funktionierte, und weggeworfen. Oder er hat das Blut bemerkt und hat Panik bekommen.«
    »Ja.«
    Cooper machte Anstalten, ein Stück wegzurücken, aber Fry streckte die Hand aus und berührte ihn am Arm. Er wünschte, sie würde ihn nicht anfassen. Das Gefühl, das er dabei verspürte, verunsicherte ihn, und er wusste nicht, ob er das Richtige tat. Er konnte nur hoffen, dass sie nicht alles ruinierte und nett zu ihm war.
    »Und weil wir gerade beim Thema sind, Ben. Es war eine gute Idee von dir, den Wartungsmenschen vom National Grid zu bitten, sich mal in dem Tunnel unter dem Luftschacht umzusehen.«

    »Danke.«
    »Nur schade, dass du es mir gegenüber nicht erwähnt hast.«
    »Stimmt. Tut mir Leid.«
    Zusammen überquerten sie die Straße und kehrten zu ihren Wagen zurück. Allmählich verlief sich die Menge.
    »Trotzdem bin ich zuversichtlich, dass wir Emmas Leiche bald finden werden«, meinte Fry. »Granger sagt, er hätte sie hinter einer Mauer versteckt, sei aber in solcher Panik gewesen, dass er nicht mehr wisse, wo oder auf welcher Straße. Er hatte sich total verfahren. Aber die Suchtrupps kämmen alle in Frage kommenden Gebiete durch.«
    »Es ist vermutlich nur eine Frage der Zeit.«
    Plötzlich blieb Fry mitten auf der Straße stehen und merkte gar nicht, dass sie in eine Schlammpfütze trat. Cooper ging weiter, den Kopf gegen den Regen gestemmt. Er bewegte sich in Richtung des Wassers, das laut durch Withens strömte, die Asche wegschwemmte und den Boden bis auf das Felsbett auswusch.
    Einen Moment lang hatte er zwei Gestalten gesehen, die einander so ähnlich waren, dass es sich um vom Regen verzerrte Spiegelbilder hätte handeln können. Sie sahen beide gleich einsam und isoliert aus, wie sie steif und angespannt dastanden, die Schultern hochgezogen, bereit für einen Kampf. Aus sechs Metern Entfernung starrten sie einander an. Aber dieser Moment währte nicht ewig.
    Cooper brachte es nicht fertig, zu warten, was geschehen würde; er wusste, dass er besser nicht zuschauen
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