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Die einsamen Toten

Titel: Die einsamen Toten
Autoren: S Booth
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sollte. Das ging ihn nichts an. Er wollte nur noch zu seinem Wagen und raus aus dem Regen. Raus aus Withens.
    Aber während er noch in Hörweite war, hörte er eine Stimme. Er wusste nicht, wessen Stimme es war, und es war auch nur ein kurzes Wort.
    »Schwester?«

    Die dicke, schwarze Plastikfolie, in die Ivan Matleys Silageballen eingewickelt waren, war praktisch unzerstörbar und kein biologisch abbaubarer Plunder. Sie konnte höchstens von der Stahlgabel seines Traktors durchbohrt werden. Und so wunderte sich Matley sehr über die Löcher in dem Ballen, den er an diesem Nachmittag vom Stapel genommen hatte. Ratten? Füchse? Vandalen? Aber eigentlich sah der Ballen nicht so aus, als ob irgendetwas daran genagt oder gezerrt hätte. Es sah eher so aus, als hätte irgendeine Säure kleine, ausgefranste Löcher hineingefressen und unregelmäßig ausgeblichene Streifen in die glänzende schwarze Oberfläche geätzt.
    Matley stieg aus der Fahrerkabine seines Traktors, um sich die Sache näher anzusehen, für den Fall, dass die Innenhaut des Ballens durchlöchert und die Silage darin verrottet war. Die Ballen standen jetzt seit Jahren hier herum, und wäre das Wetter nicht so schlecht gewesen, hätte er nie auf das Gärfutter zurückgreifen müssen.
    Der Bauer konnte gute Silage bereits am Geruch erkennen. Als er jetzt daran schnüffelte, glaubte er zu erkennen, dass an diesem Ballen etwas nicht in Ordnung war. Vielleicht war Luft durch die Löcher eingedrungen und hatte den Inhalt verdorben. Ivan Matley wusste, wie schlechte Silage roch, und der Gestank hier kam dem sehr nahe.
    Die übrigen Silageballen waren an der Trockenmauer aufgestapelt, immer drei übereinander. Von der Seite aus, auf der Matley stand, schienen sie in bestem Zustand zu sein, die äußeren Hüllen glänzend und straff. Deswegen war ihm nie aufgefallen, dass etwas nicht in Ordnung war, obwohl er oft auf der Weide daran vorbeigefahren war. Aber der Schaden an dem Ballen, den er hochgehoben hatte, schien auf der hinteren Seite entstanden zu sein.
    »Diese Mistkerle, die ihren Müll immer schwarz entsorgen«, fluchte er.
    Matley war sicher, dass die Leute, die den Weg auf der anderen
Seite der Mauer benutzten, irgendwelche Sachen auf seine Wiese warfen. Aber um an der Plastikplane einen derartigen Schaden anzurichten, musste es etwas ziemlich Giftiges ge wesen sein. Er tippte auf die Säure aus einer Batterie. Wenn er hinter den Silagestapel, zwischen Ballen und Steinmauer, nachschaute, würde er vermutlich mehr als eine alte Autobatterie finden, die irgendjemand dort weggeworfen hatte, statt sich die Mühe zu machen, sie ordnungsgemäß zu entsorgen. Dabei war es den Leuten auch völlig egal, ob dort Vieh weidete oder nicht. Kühe waren äußerst neugierige Tiere. Wie leicht hätten sie mit ihren rauen Zungen die weggeworfenen Batterien abschlecken und sich an der ausgelaufenen Säure verätzen können.
    Matley ging um das Ende des Stapels herum und versuchte, einen Blick dahinter zu werfen. Aber der Spalt zwischen Mauer und Ballen war zu schmal, als dass er sich hätte hindurchzwängen können. Seit er die fünfzig überschritten hatte, war er nicht mehr so schlank und rank wie früher, wie seine Frau ihm ständig unter die Nase rieb.
    Trotzdem konnte er erkennen, dass in der Mitte der unteren Reihe die Plastikfolie an einigen Stellen dieselben kleinen, ausgefransten Löcher aufwies. Jetzt war er sicher, dass es sich um die Säure aus einer Autobatterie handeln musste. Was hätte sonst schon diese ätzende Wirkung und könnte sich durch seine Silagefolie fressen? Und was sonst würde so stinken?
    Keuchend kletterte Matley auf den Mauerkranz und balancierte vorsichtig darauf entlang. Hätte er einen Fremden bei diesem Kunststück erwischt, hätte er dem armen Kerl die Hölle heiß gemacht. Denn waren die Steine oben auf dem Mauerkranz erst einmal locker, weil ständig Leute darüber kletterten, verlor auch die restliche Mauer ihre Stabilität und war in Gefahr, einzustürzen. Und dann beschwerten sich die Autofahrer wieder bei der Polizei, dass seine Kühe auf der Straße herumliefen. Er hatte so oder so das Nachsehen.

    »Wozu verschwende ich hier eigentlich meine Zeit?«, knurrte er.
    Doch heute Morgen war auf dem Feldweg niemand unterwegs, der ihn gehört hätte. Auf der anderen Seite der Mauer konnte er auf der Grasnarbe Reifenspuren sehen, wo jemand von der Straße aus mit einem Pkw oder einem Lieferwagen gewendet hatte. Matley fragte sich, was
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