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Die eingeborene Tochter

Die eingeborene Tochter

Titel: Die eingeborene Tochter
Autoren: James Morrow
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meiner Freundin zusammen – wegen der Sache haben wir uns getrennt. Ich steh auf Babies. Laurie hält sie für grotesk.«
    »Sie sind nicht verrückt.« Sie ist verrückt, dachte er. »Ist ›schwul‹ nicht ein ziemlich aggressives Wort?«
    »Wenn Sie es verwenden, Murray Katz« – sie lächelte tückisch –, »dann hau ich Ihnen die Zähne ein.«
    Das rhythmische Absatzklackern Mrs. Kriebels auf dem Marmorboden unterbrach sie. Sie hielt Georgina ein isoliertes Reagenzglas hin. Eingeätzt die Zahl 147.
    »Oh, wow!« Georgina packte das Röhrchen, preßte es an die Brust. »Wissen Sie, was das ist, Mur! Mein Baby!«
    »Niedlich.«
    Mrs. Kriebel lächelte. »Herzlichen Glückwunsch!«
    »Vielleicht hätt ich doch auf einen Mathematiker warten sollen.« Georgina betrachtete das Röhrchen mit spöttischem Argwohn. »Kleiner Fisch-Mathematiker kriecht in der Wohnung rum und kaut auf seinem Taschenrechner? Reizend, nicht?«
    Die Aufzugtür ging auf, gab einen dicklichen Mann im Labormantel frei. Ungeduldig winkte er Murray zu sich, als habe er eben zwei freie Plätze im Kino gefunden.
    Im Weggehen sagte Murray: »Sie haben richtig gewählt.«
    »Meinen Sie wirklich?«
    »Meeresbiologie – eine schöne Karriere«, rief er ihr nach und trat in den Aufzug.
    »Ich bring das Baby vorbei!« rief sie.
    Mit dumpfem Schlag schloß sich die Tür. Der Aufzug schoß nach oben, die Schwerkraft zerrte an dem Big Mac in Murrays Magen. »Was wir hier im wesentlichen haben«, sagte Gabriel Frostig, medizinischer Direktor des Instituts, »ist ein Ei-Identifizierungsproblem.«
    »Hühnerei?« fragte Murray. Es klingelte. Zweiter Stock.
    »Menschliches Ei. Ovum.« Dr. Frostig führte Murray in ein mit technischem Krimskrams vollgestopftes schmuddliges Labor. »Wir hoffen, Sie sagen uns, wo es herkommt.«
    Die Maschine, deren fröhliche Präsenz den Seziertisch beherrschte, war der seltsamste Apparat, den Murray je gesehen hatte; sah aus wie eine Maschine zur Herstellung einer Art schmutziger Candymasse. In der Mitte ein glockenförmiger Kolben, so rein glänzendes Glas, daß beim Antippen kein gewöhnlicher Glockenton, sondern eine Fuge ertönen würde, dachte Murray. Batteriebetriebene Pumpe, Gummiunterlage, wie Geschenke um einen Weihnachtsbaum waren rund um den Kolben drei Glasflaschen auf einer hölzerner Plattform aufgebaut.
    »Was ist das?«
    »Ihre letzte Spende.«
    Eine Flasche war leer, die zweite enthielt etwas, das aussah wie Blut, der Inhalt der dritten erinnerte an Milch. »Und die ist jetzt in dieser… Ekto… ähm…«
    »Ektogenesemaschine.«
    Murray spähte in das Glas. Eine große, feuchte Scheibe Protoplasma – eine Flunder mit Seidenkrawatte. Durchsichtige Plastikschläuche stießen von allen Seiten in die weiche Masse. »Eine… was?«
    »Ein künstlicher Uterus«, erklärte Frostig. »Prototyp. Wir hätten frühestens in fünf Jahren menschliche Embryos austragen lassen. Ging bis jetzt nur mit Fröschen und Mäusen. Aber als Karnstein Ihren Blastozyten entdeckte, sagten wir uns, also gut…«
    Der Doktor verzog das Gesicht zu einer schielenden Grimasse, als untersuche er eben eine unheilverkündende eigene Gewebeprobe.
    »Außerdem dachten wir, vielleicht warten Sie nur drauf, daß wir’s sterben lassen und laufen dann zu den Zeitungen – hab ich recht? – und erzählen denen, wie gern wir hier Embryos schlachten.« Er deutete geringschätzig auf den Rasen draußen. »Sind Sie einer von diesen Apokalyptikern, Mr. Katz?«
    »Nein. Ich bin Jude.«
    Murray horchte mit einem Ohr auf die Sprechchöre der Demonstranten, es klang wie wütende Brandung. »Und ich bin in meinem ganzen Leben noch zu keiner Zeitung gerannt.«
    »Verdammte Irre – sollten zurück ins Mittelalter, wo sie hingehören.«
    »Warten Sie, Sie sagen, in dem Ding da wächst ein Baby?«
    Frostig nickte. »Im Uterusgewebe.«
    Murray brachte sein Gesicht noch näher an das spiegelnde Glas heran. Das Gesicht vergrößerte sich, der ohnehin große Mund sah aus wie eine Zuckerdose.
    »Nein, so können Sie nichts sehen«, sagte der Doktor.
    »Das ist bis jetzt nur ein Zellhaufen, nicht größer als eine Bleistiftspitze.«
    »Mein Zellhaufen?«
    »Ihrer und der von noch jemandem. Sie haben nicht zufällig ein weibliches Ei in die Probe getan?«
    »Wie denn? Ich bin kein Biologe. Ich kenn auch nur ganz wenige Frauen.«
    »Also Sackgasse. Dachten wir uns schon.« Frostig öffnete die oberste Schublade einer Hängekartei und nahm einen Stoß vorgedruckter
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