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Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition)

Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition)

Titel: Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition)
Autoren: Susann Pásztor
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nicht sie?
    »Wie ist Connie eigentlich so?«
    Pujari wirft mir einen unergründlichen Blick zu, dann sagt sie: »Ich kann dir gar nicht viel über Connie sagen, Mila. Connie ist mir immer fremd gewesen, auch schon, bevor Lukas geboren wurde. Sie ist schon so lange mit Simon zusammen, aber ich habe nie rausfinden können, was sie wirklich miteinander verbindet. Was Simon an ihr liebt. Ich fand es in ihrer Gegenwart immer sehr anstrengend. Unverbindlich, freundlich, und dahinter eine verschlossene Tür aus Stahlbeton. Weiter als bis dahin bin ich nie gekommen. Aber vielleicht habe ich auch ihre Art, still zu sein, einfach nicht verstanden.«
    Oh Hoffnung, süße Hoffnung. Eine anstrengende, verschlossene Frau. Eine Beziehung, die keiner versteht. Und hier: ich.
    »Und außerdem ist es völlig egal, Mila, ob ich verstehe, wie Connie tickt. Oder ob ich dir erklären kann, warum Simon mit ihr verheiratet ist. Du hast eben von dem Wir gesprochen, das es zwischen dir und Simon gegeben hat, das hat mir gefallen. Ob ich Connie und Simon nun für das Traumpaar schlechthin halte oder nicht, ist doch für euer Wir gar nicht von Belang.«
    Aufgelaufen. Sie wird für niemanden Partei ergreifen, und trotzdem bleibt das Gefühl, dass sie auf meiner Seite ist. Und sie hat recht. Ich kann unsere Geschichte nicht damit aufwerten, dass ich die bessere Wahl bin. Ich will ja gerade, dass die Liebe zwischen Simon und mir genau das ist, was sie ist. Aber was ist sie denn, verflucht noch mal? Eine Frage noch, eine einzige.
    »Glaubst du, dass Simon einsam ist?«
    Ihre Antwort kommt ohne zu zögern. »Ja, glaube ich. Und mittlerweile bin ich mir sicher, dass er es auch so will.«
    Wir sind still. In der Wohnung über uns rumpelt es, als würden schwere Möbel über den Fußboden geschoben. Irgendwo schließt jemand geräuschvoll ein Fenster. Eine Frauenstimme kreischt. Pujari streckt die Beine aus und verschränkt die Arme hinter ihrem Kopf.
    »Mila, kennst du John Cage?«
    »Den Namen habe ich schon mal gehört.«
    »Das war ein amerikanischer Komponist und Philosoph. Er hat viel mit Klang und Geräuschen experimentiert. Und mit Stille. Sein bekanntestes Stück dauert vier Minuten und dreiunddreißig Sekunden und besteht aus drei Sätzen. Die einzige Vorgabe ist: Es darf kein Ton erzeugt werden.«
    »Nein, das kenne ich nicht«, sage ich.
    »Es wird auch aufgeführt. Mal mit Orchesterbesetzung, mal als Pianosolo. Viereinhalb Minuten Stille. Du kannst das Stück sogar als MP3-Datei kaufen und herunterladen.«
    »Das tut aber niemand, oder?«, sage ich.
    »Ich weiß nicht, wie viele es sind, aber sie tun es«, sagt Pujari. »Natürlich gibt es viele Ansätze, um dieses Stück zu erklären. Die Frage, ob die Stille das eigentliche Werk ist oder die Geräusche, die plötzlich hörbar werden, weil die Musik fehlt. Das Spiel mit den Erwartungen des Publikums. Eine Verneigung vor der Quelle, aus der die Musik von Cage entstand.«
    »Oh, ich glaube, ich weiß doch, wer das ist«, sage ich. »Irgendwo gibt’s da eine Querverbindung zur Malerei.«
    »Wir haben das Stück zwei- oder dreimal mit unserem Ensemble aufgeführt. Wir saßen mit unseren Instrumenten auf der Bühne und haben nicht gespielt. Ich glaube, für den Musiker passiert dabei noch mal was ganz anderes als für den Zuhörer. Du hast dein Instrument in der Hand. Du bist ganz nah an der Musik dran. Sie könnte jederzeit beginnen. Alles, was du dafür brauchst, ist da.«
    »Und es bleibt still«, sage ich.
    »Ja. Wie eine Metapher für alles, was möglich wäre. Was man machen könnte, aber sein lässt. Was in der Stille verborgen bleibt und keine Form annimmt. Ich hätte Berufsmusikerin werden können. Ich hätte mindestens noch zweimal heiraten können oder doch noch Mutter werden. Die Instrumente waren alle vorhanden. Zu jedem lauten Lied in meinem Leben gibt es immer auch ein stilles.«
    Stille Lieder, denke ich. Und welche werden nun gesungen und welche nicht? Ich bin die Frau der Tollen Lieder. Man nennt mich nicht umsonst Geräuschprinzessin.
    Pujari gähnt und rutscht ein bisschen tiefer in die blauen Polster. »Es ist furchtbar«, sagt sie. »Ich schaffe es überhaupt nicht mehr, richtig betrunken zu werden, bevor ich einschlafe. Aber immer noch besser als umgekehrt.«
    »Vielleicht sollten wir langsam mal Schluss machen«, sage ich, und Pujari sieht auf ihre Armbanduhr und nickt.
    Ich kann sie draußen singen hören, als ich kurz darauf in ihrem winzigen Badezimmer stehe und
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