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Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition)

Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition)

Titel: Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition)
Autoren: Susann Pásztor
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ich für dich gemacht. Für unterwegs und überhaupt.«
    Wir halten uns beim Abschied so lange fest wie schon seit Ewigkeiten nicht mehr. Ich finde ihn viel zu dünn. Er mich auch, sagt er. Ich verspreche ihm allen möglichen Blödsinn, dass ich mich von jetzt an regelmäßiger bei ihm melden werde, dass ich nicht mehr so viel Alkohol trinken und mir ein anständiges Auto kaufen will, ja, anständige Klamotten vielleicht auch, und natürlich ist Schluss mit dem Rauchen, und Marek sagt »Aber nicht wirklich«, und alles ist gut, für einen Moment ist wirklich alles, alles gut.
    Die CD heißt »Tolle Lieder«. Es ist eine bunte Musikmischung aus allem, was Mareks MP3-Sammlung auf die Schnelle hergab. Es sind nur wenige Stücke dabei, die mir wirklich gefallen. Ich höre die CD auf der Fahrt trotzdem dreimal hintereinander, und die meiste Zeit heule ich.

8.
    Jemand hat das Wort »Seppelt« mit Hand auf ein kleines Stück Papier geschrieben und neben Pujaris Klingelschild befestigt. Ich warte auf das obligatorische »Hallo?« und mache mich bereit, meinen Namen in die Rillen der Gegensprechanlage zu rufen, aber der Türöffner schnarrt sofort los, nachdem ich geklingelt habe, und ich werfe mich hastig gegen die Eingangstür, bevor er wieder verstummen kann. Ich steige die Treppen hoch, vorbei an Wohnungstüren, die mit Strohkränzen behängt sind oder bemalte Schilder aus Salzteig tragen, die Stiefelsammlung einer Großfamilie steht ordentlich aufgereiht auf Putzlappen, aus einer Wohnung dringen wummernde Bässe. Über mir höre ich Pujaris Stimme »Dritter Stock« rufen, als müsse sie mir Mut machen beim Aufstieg, und als ich bei ihr ankomme, steht sie in ihrer offenen Wohnungstür und lacht und schüttelt mir die Hand. Sie ist groß, sie muss über eins achtzig sein. Sie trägt Jeans und eine dicke rote Strickjacke, und ich folge ihr in die Wohnung, die Fontäne ihrer weiß gesträhnten Haare, die sie im Nacken zusammengebunden hat, direkt vor meiner Nase. Im Flur steht ein prall verschnürter Trekking-Rucksack, davor ein Paar derbe Wanderschuhe, und während ich meinen Mantel ausziehe und an die Garderobe hänge, erzählt Pujari von ihrem neuen Untermieter, der für die nächsten zwei Monate ihre Wohnung hüten wird und ausgerechnet Seppelt heißt, ob mir das Klingelschild unten aufgefallen wäre, Kasper und Seppel, eigentlich hätte sie ihn nur wegen seines Namens genommen. Sie findet, ich müsse hungrig sein, sie ist bestens gelaunt und tut so, als wäre ich eine alte Bekannte, die zu Besuch gekommen ist, und nicht die besessene Privatermittlerin, als die sie mich längst entlarvt haben muss, und sie schafft es tatsächlich mit ihrem fröhlichen Geplauder, mir meine Befangenheit zu nehmen. Als ich mich am runden Holztisch in ihrer Küche wiederfinde, habe ich eine Tasse Chai in der Hand und höre mich sagen, ich sei noch nie in Indien gewesen, überhaupt wäre Reisen so gar nicht mein Ding, und während sie Brot und Käse und Tomaten auf den Tisch stellt, erzählt sie mir von Mumbai, von Goa, von Farben, Gerüchen, Armut und Schönheit, und nach und nach wage ich auch, ihr ins Gesicht zu sehen und die Ähnlichkeit mit Simon auszuhalten, was leichter ist, als ich mir vorgestellt hatte. Ihre Augen sind grün, nicht braun. Ihre Haare sehen abenteuerlich aus, üppig und wild und kaum zu kontrollieren. Seit ich da bin, hat sie schon zweimal ihre Spange am Hinterkopf neu befestigen müssen. Sie hat eine kleine Lücke zwischen den oberen Schneidezähnen und eine kräftige, leicht gebogene Nase. Sie ist nicht wie Simon.
    »Pujari«, sage ich, und vielleicht habe ich ja ihren Namen falsch ausgesprochen, jedenfalls bringe ich den Zug der Indian Railways , der uns gerade durch Rajasthan trägt, mit quietschenden Bremsen zum Stehen, als wäre plötzlich eine Herde Kühe auf den Gleisen aufgetaucht.
    »Ich rede zu viel«, sagt Pujari. »Herrgott. Du bist nicht hierhergekommen, um dir meine Reiseberichte anzuhören. Du wolltest mit mir über Simon reden.« Nach einer Pause fügt sie hinzu: »Was für eine merkwürdige Situation.«
    Sie gießt neuen Tee in meine Tasse und lächelt mich dabei an, und ich lächle zurück und stelle fest, dass ich sie mag. Und ja, es ist eine merkwürdige Situation. An der Wand hinter ihr hängt ein gerahmtes Plakat mit der Aufschrift: Don’t look back. You are not going that way.
    »Danke, dass du mich zu dir eingeladen hast«, sage ich.
    »Gerne. Ich bin beeindruckt von deiner Zielstrebigkeit.
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