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Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition)

Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition)

Titel: Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition)
Autoren: Susann Pásztor
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Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal verrückt genug war, mich für eine Liebe dermaßen ins Zeug zu legen.«
    Sie sieht eigentlich nicht aus, als wäre ihr letztes Mal besonders lange her. Und überhaupt, wieso Liebe? Ich bin sicher, dass ich gestern am Telefon noch nichts davon erwähnt habe. Simon könnte auch meine Brieftasche geklaut haben. Nun ja, etwas weit hergeholt, aber trotzdem.
    »Vielleicht sollte ich dir als Erstes sagen, dass ich kaum noch Kontakt zu Simon habe«, sagt Pujari. »Wir telefonieren ab und zu. Organisatorisches, Geburtstagsgrüße, Belanglosigkeiten. Es gibt nicht viel zu sagen. Nein, stimmt nicht, es gäbe eine Menge zu sagen. Aber das tun wir schon seit Jahren nicht mehr.«
    »Warum nicht?«, frage ich. Es klingt aufdringlich, aber es ist das Einzige, was ich in die Pause legen kann, die sie nach dem letzten Satz gemacht hat. Pujari legt den Kopf zur Seite, als versuche sie den Grad meiner Vertrauenswürdigkeit zu berechnen.
    »Hat Simon dir von seiner Familie erzählt, Mila?«
    »Ich weiß ein bisschen darüber«, sage ich. »Ich weiß, dass seine Frau krank ist und dass er ziemlichen Druck hat. Job und Familie, das Übliche.«
    »Simon hat sich immer mehr zurückgezogen. Ist ja auch kein Wunder, bei so einer Belastung.«
    Ich warte, ob noch mehr kommt. Sie sieht mich an, und dann sagt sie plötzlich »Ach verdammt, was soll das Theater« und steht auf, um neues Wasser aufzusetzen. An den Küchenschrank gelehnt, sagt sie: »Simon hat sich ständig bemüht, das Ganze nach außen als normal darzustellen. Nein, es geht uns prima. Wir schaffen das, keine Sorge . Ich habe ihm gesagt, dass ich ihm das nicht abnehme, und er hat sich meine Einmischung verbeten. Dabei wollte ich mich gar nicht einmischen. Ich wollte nur nicht immer angelogen werden. Ich hätte ihm gern einfach nur zugehört, aber er weigerte sich, mit mir darüber zu reden. Seitdem beschränken wir uns auf unverfängliche Themen. Es ist keine Tragödie, weißt du. Es ist nur so unglaublich schade.«
    »Das tut mir leid«, sage ich.
    »Falls du dich also für aktuelle Dinge aus Simons Leben interessierst, bist du bei mir an der falschen Adresse«, sagt Pujari. »Und dann erzählst du mir auch noch, dass du ihn beim Meditieren kennengelernt hast. Verstehst du jetzt, warum ich dich gefragt habe, ob du vorbeikommen willst?«
    »So, wie du gestern reagiert hast, hab ich mir das schon fast gedacht«, sage ich.
    Wir sehen uns lange an. Pujari zieht den Teebeutel aus der Kanne und wirft ihn mit Schwung in den Ausguss. Dann setzt sie sich wieder zu mir an den Tisch.
    »Erzähl mir von eurem Meditationswochenende, Mila. Was war das für eine Veranstaltung, auf der du Simon kennengelernt hast?«
    »Ein Schweigeseminar. In einem buddhistischen Seminarhaus. Überhaupt nicht meine Welt, jedenfalls bis dahin. Aber es war gut. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, dass ich von jetzt an jeden Tag meditiere, aber mir kommt ständig was dazwischen.«
    »Such dir eine Gruppe, die sich regelmäßig trifft«, sagt Pujari. »Wenn es dir ernst damit ist. Und Simon? Hat es ihm auch gefallen?«
    »Ja«, sage ich. »Er hat gesagt, er hätte schon viel früher auf dich hören sollen, das hätte ihm wahrscheinlich eine Menge Leiden erspart.«
    »Ach, hör auf«, sagt Pujari, und jetzt lacht sie nicht mehr. »Ich habe ihn damals bedrängt wie eine Missionarin, die das Licht gesehen hat. Furchtbar. An mir liegt es jedenfalls nicht, dass er zu so einem Wochenende gegangen ist. Simon fand mein Leben immer etwas zu alternativ, zumindest was den Glauben anging.«
    »Davon hat er nichts gesagt.«
    »Das wundert mich. Versteh mich nicht falsch, ich wollte ihm nie meinen indischen Meister aufschwatzen. Es hätte auch ein Benediktinerkloster oder eine schamanische Schwitzhütte sein dürfen. Ich war nur überzeugt, dass es ihm guttun würde, ein bisschen Stille und inneren Frieden zu finden. Solange ich Simon kenne, ist er immer gerannt. Für andere.«
    Ich würde jetzt gern zustimmend »So ist es« sagen oder wenigstens versonnen nicken, wie es Geliebte tun, wenn sie mit Verbündeten über die Schwächen ihrer Geliebten reden, aber Tatsache ist, dass ich keine Ahnung habe, was Simon sein Leben lang so gemacht hat. Für mich hat Simons Leben an drei Tagen und drei Nächten stattgefunden, nicht einmal das Meditationswochenende zählt richtig dazu, und alles andere ist Wissen aus zweiter oder dritter Hand. Wenn Pujari gesagt hätte, Simon wäre zeit seines Lebens
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