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Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition)

Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition)

Titel: Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition)
Autoren: Susann Pásztor
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an derselben Stelle stehen geblieben, hätte ich das auch hinnehmen müssen. Beides ist möglich. Keins von beidem hat etwas mit dem Dreitagesimon zu tun, den ich kennengelernt habe.
    »Dein indischer Meister«, sage ich. »Bist du noch seine Schülerin?«
    »Ah, die Gretchenfrage. Nein, das ist lange vorbei. Und überhaupt, Frauen ab fünfzig, die sich noch Schülerin nennen, finde ich verdächtig. Meinen Namen habe ich behalten, weil ich nach all den Jahren mit ihm zusammengewachsen bin. Oder würdest du dich Sigrid nennen wollen, wenn du die Wahl hättest?«
    »Wahrscheinlich nicht.«
    »Mila ist ein schöner Name. Kann es sein, dass es sogar mal ein Buch gab, das so hieß?«
    »Es stand zu Hause bei deinen Eltern im Bücherregal, stimmt’s?«
    Pujari sieht mich verblüfft an. Dann fängt sie an zu lachen. Ich mag ihr Lachen. Es klingt wie große, fette Luftblasen, die nacheinander aufplatzen. Ich bin plötzlich sehr froh, dass ich hierhergekommen bin. Pujaris Haare haben sich schon wieder selbstständig gemacht, sie hat die Spange zwischen die Zähne geklemmt und versucht mit beiden Händen, die Masse hinter sich in den Griff zu kriegen. Sie sagt etwas, das wie eine Drohung klingt, sich in Indien kahl scheren zu lassen. Dann gibt sie auf, schüttelt den Kopf und lässt die Haare frei. Es gefällt mir viel besser als vorher. Ich sage es ihr.
    »Du wolltest mir noch eine elend lange Geschichte erzählen«, erinnert mich Pujari. »Was ist damit?«
    Ich sehe auf die Uhr. Ich muss mich langsam entscheiden, ob ich heute Abend noch zurück nach Hause fahren will. Pujari deutet meinen Blick richtig.
    »Wie viel Zeit hast du noch? Musst du bald weiter?«
    Ich entschuldige mich für meine Unorganisiertheit und sage, dass ich mir über so etwas immer sehr spät Gedanken mache. Man könnte es auch planlos nennen.
    »Willst du hier übernachten? Du bist herzlich eingeladen. Mein Gästezimmer ist noch frei, der Seppel zieht erst nächste Woche ein, wenn ich weg bin. Das einzige Problem ist, dass ich morgen irrsinnig früh zum Flughafen muss, spätestens um fünf.«
    »Ich könnte dich hinfahren.«
    Und damit ist die Sache geklärt. Wir trinken unseren Tee aus und beschließen, von der Küche nach nebenan ins Wohnzimmer umzuziehen, wo mit Sicherheit das nächste Sofa auf mich warten wird, und weil Pujari plötzlich der Meinung ist, es gehe nichts über einen anständigen Kater bei Langstreckenflügen, will sie schnell noch zum Spätkauf an der Ecke, der angeblich den besten Rioja der Stadt hat. Ich überrede sie, mich das machen zu lassen, weil ich sowieso noch ein paar Sachen aus dem Auto holen muss. Sie gibt mir ihren Hausschlüssel mit, und als ich im Treppenhaus nach unten laufe, bin ich so zuversichtlich wie schon lange nicht mehr.
    Draußen riecht die Luft nach Schnee. Der Angestellte vom Spätkauf ist ein schmächtiger Junge, der Rioja wie Roger ausspricht und ebenfalls findet, es sei der beste der Stadt. Er würde den Wein gern mit mir zusammen austrinken, sagt er. Er ist für meine Großmutter, sage ich und zeige auf meine rote Mütze, und der Junge lacht und will mir eine Rosinenschnecke mitgeben, für die Großmutter. Ich lehne dankend ab und winke ihm noch einmal von der Straße durchs Fenster zu. Als ich mit meinem Wein wieder vor Pujaris Wohnungstür stehe, ist es acht Uhr. Der Abend gehört uns.
    Pujaris Wohnzimmer ist ein kunterbunter Kosmos aus Asiensouvenirs und Devotionalien aus aller Herren Länder. Während sie ihre Küchenwände noch mit letzten Anweisungen für Herrn Seppelt beklebt, schreite ich ihr Bücherregal ab, dessen Einlegeböden sich unter Fotobänden, Reiseführern und all dem biegen, was eine Heilpraktikerin wohl an Hintergrundwissen so braucht: Bücher über Alternativmedizin, Therapie, Meditation und, wen wundert’s, über Yoga. Und Noten, jede Menge Noten. Erst jetzt fällt mir der aufgeklappte Notenständer in der Ecke auf, neben ihm steht ein schwarz glänzender Cellokasten, der in dieser exotischen Landschaft wie ein konservativer Kulturbeauftragter wirkt. Sie habe Musik studiert, nein, nicht richtig, nur fürs Lehramt, sagt Pujari, als ich sie auf das Cello anspreche, aber nie ihr Referendariat angetreten und deswegen keinen einzigen Tag als Lehrerin in einer Schule verbracht. Sie sieht nicht aus, als würde sie es bedauern. Aber das Spielen in ihrem kleinen Ensemble wäre ihr wichtiger als alles andere, sagt sie. Das meiste andere, korrigiert sie sich. Während sie Gläser auf den
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