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Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition)

Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition)

Titel: Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition)
Autoren: Susann Pásztor
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mir die Zähne putze. Es muss schön sein, in ein Land aufzubrechen, nach dem man so viel Sehnsucht hat. Ich glaube nicht, dass ich nach Indien möchte, aber vielleicht fange ich mal mit etwas Kleinerem an zu üben, mit der Schweiz zum Beispiel.
    Pujari wartet auf mich, als ich wieder ins Wohnzimmer komme. »Gute Nacht, Mila«, sagt sie. Sie macht einen Schritt auf mich zu, und dann zögert sie, aber gerade durch dieses Zögern finde ich selbst den Mut, sie zu umarmen. Wir bleiben eine Weile so stehen, ihre Haare kitzeln mich im Gesicht, und meine Verlegenheit, die mich jedes Mal in den Armen einer Frau befällt, lässt sich bei ihr gut aushalten. Dann drückt sie mich noch einmal kurz und lässt mich los.
    »Hier«, sagt sie und hält mir einen Zettel hin. »Simons Handynummer.«
    »Danke«, sage ich. Ich bin erstaunt darüber, was für ein beiläufiger Akt das ist. »Pujari?«
    »Ja?« Sie hat sich schon zum Gehen umgewandt.
    »Du hast mich heute Abend kein einziges Mal danach gefragt«, sage ich. »Willst du gar nicht wissen, was ich vorhabe?«
    »Mensch Mila«, sagt Pujari freundlich. »Das weißt du doch selbst nicht mal.«

9.
    Etwa eine halbe Stunde, nachdem Pujari mit ihrem Rucksack Richtung Check-in verschwunden ist und ich die Haltezone am Abflugterminal verlassen habe, beginnt es zu schneien. Anfangs sind es noch wässrige Einzelgänger, die sich sofort auflösen, wenn sie mit der Frontscheibe in Berührung kommen, aber dann verbünden sie sich untereinander, legen enorm an Gewicht und Größe zu und lassen sich von den Wischern hin- und herschieben, mach du das weg, sagt der eine zum anderen, nee, lieber du. Der Kaffeebecher vom Flughafen fühlt sich leicht und leer an, aber ich setze trotzdem noch einmal den Deckel mit dem Trinkloch an den Mund und sauge den Rest kalten Milchschaum heraus. Ich staune darüber, an was für merkwürdige Oberflächen sich der Mensch beim Trinken gewöhnen kann. Ich fahre sehr achtsam, und währenddessen versuche ich mich zu erinnern, welches Lied damals auf meiner Kassette nach »Sternenhimmel« kam. Madness mit »Our House«, glaube ich. Und danach? Keine Ahnung. Ich glaube, ich würde gern in eine andere Stadt ziehen. Nicht ganz so weit weg von Marek. Vielleicht möchte ich dann auch eine Katze, oder ich nehme irgendeinen Irren zur Untermiete mit rein, der mit Nachnamen Hilfreich oder Gut heißt.
    Gegen sieben wird es endlich hell. Der Schnee lässt wieder nach, es war ein Fehlstart, zu früh im November. Die Fahrbahn hat ihn nicht einmal richtig zur Kenntnis genommen. Er versucht halbherzig, noch irgendeinen Zauber in der Landschaft zu hinterlassen, und verwandelt sich dann in schlecht gelaunten Nieselregen. Ab halb acht beginne ich mit mir zu verhandeln, wann ich endlich anrufen darf. Nicht vor neun. Alles andere ist unverschämt. Man weiß ja nichts vom Privatleben der Leute. Manche sitzen da schon längst im Büro, andere frühstücken noch mit ihrer Familie. Vielleicht meditiert er sogar um diese Zeit. Oder wenigstens halb neun? Was für ein Blödsinn. Ich kann warten. Ob ich jetzt gleich oder heute Nachmittag oder erst morgen anrufe, es macht keinen Unterschied.
    Um halb neun fahre ich von der Autobahn runter, um zu tanken. Als ich den Beleg von Zapfsäule Nummer 3 und ein eingeschweißtes Schinkenbrötchen zum Bezahlen auf den Tresen lege, spricht mich der Typ an, der mir eben schon beim Tanken zugesehen hat. Ob ich ihn mitnehmen könne, fragt er, als ich das Wechselgeld einstecke. Es sei ihm egal, wie weit ich führe, solange die Richtung stimme, er müsse nur weg von dieser Autobahnraststätte, seit gestern hinge er hier fest, ich könne ihn auch einfach an der nächsten absetzen, Hauptsache, es wäre eine andere und er ein Stück weiter. Er hat kurzes braune Haare und Augen wie Kornblumen, er ist höchstens halb so alt wie ich und heißt bestimmt Benni oder Vincent, und so, wie er mein Schinkenbrötchen ansieht, wird er mir später garantiert erklären wollen, warum Tiere essen scheiße ist. Aber er ist keiner, der Geld will oder Frauen an die Wäsche geht, da verlasse ich mich auf meinen Instinkt, also sage ich, okay, ich müsse nur noch zur Toilette und schnell telefonieren und mir einen Kaffee holen, wir treffen uns am Auto.
    Benni oder Vincent erweist sich als angenehmer Fahrgast, er ist zurückhaltend und schweigsam, aber vielleicht ist er auch einfach nur genervt von seiner Nacht an der Raststätte. Ich sehe ihn unentschlossen mit den Kopfhörern seines
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