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Die Ehre der Slawen

Die Ehre der Slawen

Titel: Die Ehre der Slawen
Autoren: Unbekannt
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    Kapitel 2
     
     
    Unmittelbar am nordöstlichen Ufer des Kleinen Meers gelegen und von diesem nur durch eine seichte Furt getrennt, glitzerte das klare Wasser der Feisneck in der Mittagssonne. Große dunkle Wälder säumten malerisch die hügeligen Ufer und verströmten einen intensiven Geruch nach Harz und feuchtem Waldboden. Ein breiter Schilfgürtel reichte an den flachen Stellen bis weit in das kühle Nass hinein und bildete die Heimat für unzähliges Wassergetier. Die Gegend war reich an Fisch und Wild und aus den Kronen der höchsten Bäume gellten weithin hörbar die Schreie der Fischadler.
     Inmitten der Feisneck aber lag jene Insel, die der Sage nach von einem Riesenmädchen erschaffen wurde. Eine lange Brücke aus solidem Eichenholz, gut und gerne zweihundertfünfzig Schritte lang, verband die Insel mit dem östlichen Ufer. Sie endete inmitten einer Siedlung, die vor vielen Generationen von Stammesangehörigen der Moriczer angelegt worden war.
     Die Siedlung bestand aus gut zwei Dutzend einfacher Lehm- und Holzhäuser, in denen meistens drei Generationen unter einem Dach lebten. Eine wehrhafte Palisade aus zugespitzten Eichenpfählen, die dem natürlichen Verlauf eines kleinen Hügels folgte, bot den Einwohnern ausreichenden Schutz vor feindlichen Überfällen. Im südlichen Teil der Palisade war ein großes Torhaus eingelassen, was sich im Ernstfall gut verteidigen ließ. Sollte sich jedoch einmal eine erdrückende Übermacht nähern, blieb den Bewohnern immer noch die Flucht zur Insel übrig. Dort konnten sie problemlos einer längeren Belagerung trotzen, denn auf der Insel lagerten nicht nur die Waffen, sondern auch die gesamten Vorräte der Siedler. Rüben, Bohnen, Getreide, Dörr fleisch, aber auch Pfeil und Bogen, Schilde und messerscharfe Streitäxt e fehlten nicht. Jeder Dorfbewohner, ob Mann oder Frau, konnte sich nach seiner Wahl so bewaffnen, wie es seinen Fähigkeiten entsprach.
     Und all diese Schätze, und noch viel mehr, lagerten auf der Insel in einer Fluchtburg, welche auf einem hoch aufgeschütteten Hügel stand.
    Schläfrig blinzelte Paddie durch die dichte Baumkrone gen Himmel und schaute für einen Moment dem funkelnden Spiel der Sonne im Blätterdach zu. Ein lauer Wind wehte sacht von der Feisneck herüber und trieb ein schwaches Aroma nach Wasser und Schilf vor sich her. Aus der nahen Siedlung drangen nur vereinzelt dumpfe Geräusche, denn die Schwüle um die Mittagszeit machte müde und schwerfällig.
     Mit einer lockeren Handbewegung versuchte Paddie die lästigen Fliegen zu verscheuchen, die es auf seine schweißfeuchte Nase abgesehen hatten. Der Erfolg war jedoch gleich null, denn sobald Paddie seinen Arm ins Gras sinken ließ, waren die kleinen Plagegeister sofort wieder da. Resignierend hob der Halbwüchsige seinen Kopf etwas und warf einen kurzen Blick zu den zwei Dutzend Schafen hinüber, die wiederkäuend im Schatten der nächsten Bäume lagen. Schafe hüten, das war so ziemlich das Langweiligste, was sich der knapp 13-jährige Junge überhaupt vorstellen konnte. Gewiss, in den riesigen Wäldern und Sümpfen an den Ufern der Morcze gab es jede Menge großer Raubtiere. Und wenn man den Berichten der Alten Glauben schenkte, so verging früher kein einziger Tag, an dem nicht irgendein Weidetier gerissen wurde.
    Dieses Früher, so fand Paddie, musste aber schon sehr, sehr lange her sein. Solange er nämlich die Schafe hütete, und das waren schon fast drei Sommer, da war noch niemals etwas Aufregendes passiert. Außerdem wusste doch jedes Kind, dass Raubtiere nur in der Dämmerung oder des Nachts jagten, nicht aber zur Mittagsstunde. Na, und wenn aber doch einmal so ein Räuber Appetit auf frisches Hammelfleisch verspüren sollte, dann wüsste Paddie schon, was zu tun sei. Er hatte seinen langen Hirtenstab an dem unteren Ende gut angespitzt und sein kleines krummes Messer besaß eine so scharfe Klinge, dass es wie von selbst durch die Kehle eines Räubers gleiten würde.
     Beim großen Sonnengotte Swarozyc, was wäre das für ein Erlebnis, wenn er eines Tages das weiche Fell eines Luchses nach Hause brächte. Vater, Mutter, die Freunde und erst recht die schöne Kosi würden staunen – auf ihre großen Augen war Paddie jetzt schon gespannt.
    Endlich bekäme er einen richtigen Erwachsenennamen, denn seinen blöden Kindernamen konnte er schon lange nicht mehr leiden. Paddie! Nichts anderes als »Kleines Fröschlein« hieß das. Pfui Spinne, wie
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