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Die Ehre der MacKenzies (German Edition)

Die Ehre der MacKenzies (German Edition)

Titel: Die Ehre der MacKenzies (German Edition)
Autoren: Linda Howard
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Straßengraben, bewusstlos und mit hohem Fieber. Obwohl er einen guten Kopf größer und mindestens zwanzig Kilo schwerer als sie war, hatte sie ihn in ihren Wagen bugsiert und zum Arzt gefahren, der sofort eine schwere Lungenentzündung diagnostizierte. Chance wurde ins achtzig Meilen entfernte Kranken haus eingeliefert. Und Mary fuhr nach Hau se und bestand darauf, dass Wolf sie dorthin brachte …, sofort.
    Als sie ankamen, lag Chance auf der Intensivstation. Zuerst wollten die Schwestern Mary und Wolf nicht zu dem Jungen lassen, schließlich waren sie keine Familienangehörigen. Niemand wusste etwas über den Jungen. Das Jugendamt war benachrichtigt worden. Jemand sei schon auf dem Weg, um den nötigen Papierkram zu erledigen, hieß es. Alle waren sehr vernünftig, ja sogar nett, aber niemand rechnete mit Marys Entschlossenheit. Sie blieb absolut unnachgiebig. Sie wollte zu dem Jungen, und keine zehn Pferde hätten sie wegbringen können, bevor sie ihn nicht sah. Irgendwann gaben die Schwestern, überarbeitet und entnervt, auf und ließen Wolf und Mary in das winzige Krankenzimmer.
    Ein Blick auf den Jungen, und Wolf wusste, warum Mary so um ihn besorgt war. Es lag nicht nur daran, dass er todkrank war, der Junge war offensichtlich zum Teil Indianer. Er musste Mary an ihre eigenen Kinder erinnern, sie hätte ihn genauso wenig aufgeben können, wie sie ihre Kinder hätte im Stich lassen können.
    Wolf musterte den Kranken, wie er still, mit geschlossenen Augen und hochrotem, fiebrigem Gesicht im Bett lag. Vier Nadeln steckten in dem muskulösen rechten Arm, der ans Bett fixiert war. Kein Halbblut, dachte Wolf, ein Viertel indianisches Blut vielleicht, trotzdem konnte kein Zweifel an der Abstammung bestehen. Das dichte dunkelbraune Haar fiel glatt bis auf die Schultern, der Junge hatte hohe Wangenknochen und scharf konturierte Lippen. Er war der hübscheste Junge, den Wolf je gesehen hatte.
    Mary ging zum Bett, ihre ganze Aufmerksamkeit auf den Jungen gerichtet, der so hilflos und unbeweglich in den weißen Laken lag. Sie strich über seine heiße Stirn und murmelte: „Es wird alles wieder gut. Dafür werde ich sorgen.“
    Nur mit Mühe hob er die schweren Lider, und zum ersten Mal fielen Wolf die hellen Augen auf, bernsteinfarben, mit einem dunklen Ring um die Iris, nahezu schwarz. Verwirrt richtete der Junge den Blick auf Mary, dann flackerte Panik in den Augen auf, als er zu Wolf sah. Er wollte sich aufrichten, doch die Anstrengung war zu groß.
    Wolf trat an die andere Seite des Bettes. „Du brauchst keine Angst zu haben“, sagte er leise. „Du hast eine Lungenentzündung und liegst im Krankenhaus.“ Dann, als er den Grund für die plötzliche Panik ahnte, fügte er hinzu: „Wir werden nicht zulassen, dass sie dich mitnehmen.“
    Der Blick des Jungen lag lange auf Wolf, und etwas in dem Gesicht schien den Jungen zu beruhigen. Wie ein wildes Tier entspannte er sich langsam und sank in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
    Der Zustand des Jungen verbesserte sich in der nächsten Woche. Jetzt trat Mary in Aktion, fest entschlossen, den Jungen, dessen Namen sie nicht einmal kannten, keinen einzigen Tag in staatlicher Obhut verbringen zu lassen. Mary nutzte alle Kontakte, belagerte Ämter und Beamte und berief sich sogar auf Joe, damit der seinen Einfluss geltend machte. Ihre Hartnäckigkeit zeigte Wirkung. Als der Junge aus dem Krankenhaus entlassen werden konnte, ging er mit Wolf und Mary nach Hause.
    Er gewöhnte sich an sie, aber von Freundlichkeit oder gar Zutrauen konnte keine Rede sein. Er beantwortete Fragen meist einsilbig, aber er redete nicht mit ihnen. Mary ließ sich nicht entmutigen. Sie behandelte ihn vom ersten Augenblick an, als gehöre er zu ihr. Und das tat er dann irgendwann auch.
    Der Junge, der immer allein gewesen war, lebte plötzlich inmitten einer großen lebhaften Familie. Zum ersten Mal hatte er ein sicheres Dach über dem Kopf, ein eigenes Zimmer, jeden Abend einen vollen Bauch. Er hatte Kleidung im Schrank und neue Stiefel an den Füßen. Noch war er zu schwach, um sich an den Pflichten zu beteiligen, die jeder im Haushalt übernahm, aber Mary machte sich sofort daran, ihn zu unterrichten, um ihn auf Zanes akademisches Level zu bringen. Die beiden Jungen waren ungefähr gleich alt. Chance verschlang die Bücher regelrecht, seine Wissbegier war kaum zu befriedigen. Trotzdem hielt er sorgfältig Distanz. Seinen eindringlichen, wachsamen Augen entging nichts, jede Nuance des
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