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Die Ecstasy-Affäre

Die Ecstasy-Affäre

Titel: Die Ecstasy-Affäre
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Alltägliches und produzierte Alltägliches. Hier die brave Hausfrau und Mutter, der wohlgeratene Sohn, dort die Bayerische Staatskanzlei und die Briefmarken. Dazwischen Gähnen. Warum wohl hat Gerda bei mir heimlich geweint?«
    »Ich werfe dir vor, daß du mir nie einen Tip gegeben hast.«
    »Konnte ich das? Dir einen Tip geben? Du warst doch vollkommen mit deiner widerlichen Selbstgefälligkeit behangen. Durch diesen Panzer drang niemand durch. Du hast dich immer als vollkommen angesehen und warst doch nur ein armer Kümmerling.«
    »Danke. Aber das hat sich grundlegend geändert.«
    »Stimmt! Jetzt bist du ins andere Extrem verfallen!« Dr. Heimes wechselte das Thema. Es war sinnlos, mit Habicht über seinen Charakter zu diskutieren. »Wo wohnst du in Hamburg? Ich weiß nicht, wie ich dich erreichen kann.«
    »Ich möchte nicht erreicht werden.«
    »Wenn irgend etwas Wichtiges ist …«
    »Es gibt in meinem Leben nichts Wichtiges mehr.«
    »Ich könnte zum Beispiel sterben.«
    »Ist das so wichtig?«
    »Hubert, mit Verlaub, du bist ein Arschloch!«
    »Das hat schon Joschka Fischer im Bundestag gesagt. Rede nicht in Plagiaten.« Habicht lachte amüsiert auf. »Aber zu deiner Beruhigung: Ich habe ein möbliertes Zimmer bei einer sehr netten Witwe, die mich mütterlich betreut. Das Zimmer liegt in St. Pauli, hat ein Fenster zum Hinterhof, und gegenüber wohnen acht Huren, die ab und zu die Gardine nicht zuziehen und ein interessantes Schauspiel darbieten.«
    »Du bist also mittendrin!« Dr. Heimes räusperte sich. »Und wie lange willst du diesen Irrsinn noch praktizieren?«
    »So lange, bis aus Irrsinn Vernunft wird. Greifbare Wahrheit.«
    »Das heißt: Wir sehen uns nicht wieder!« Dr. Heimes hatte Mühe, seiner Stimme einen gleichgültigen Klang zu geben. »Ruf mich ab und zu mal wieder an, damit ich höre, wie sehr sich deine grauen Hirnzellen vermindert haben, du Geisterfahrer!«
    Dr. Heimes legte auf. Und wieder, wie in den vergangenen Wochen, beschäftigte er sich mit dem Gedanken, der Polizei einen Wink zu geben, daß Dr. Habicht im Besitz des einzigen authentischen Fotos der bisher unbekannten Frau sei und jetzt in Hamburg wohne – nach einer Information, daß diese Frau sich in Hamburg aufhalte. Man sollte diesem Spuk wirklich ein Ende machen, dachte der Arzt, und doch schwieg er weiter, an Habichts Worte denkend: »Ich erzähle es dir als Arzt. Unter dem Siegel der Verschwiegenheit. Und wenn's dir noch so weh tut: Du mußt den Mund halten!«
    Dr. Heimes seufzte, griff nach einem Röntgenbild und hielt es gegen das Licht. Ein kleines Magen-Karzinom. Eine Frau von 36 Jahren, Mutter von drei Kindern.
    Es gab wirklich Wichtigeres als Dr. Habicht …
    In diesen Januarwochen aber geschah noch etwas, das Habicht früher als völlig absurd bezeichnet hätte: Er suchte Sissis Gegenwart. Er saß jeden Abend auf dem Hocker an der Bar. Er brauchte Sissis Nähe, ihre Stimme, den Blick ihrer Augen, das Leuchten ihrer blonden Haare, ihr Lachen, die geschmeidigen Bewegungen ihres Körpers in dem engen Abendkleid, das Spiel ihrer schmalen Hände, und wenn sie miteinander sprachen und sie sagte: »Hubert, hör mal zu«, dann klang sein Name völlig anders, als er ihn 48 Jahre lang gehört hatte.
    Ein paarmal waren sie sogar am Nachmittag, nachdem Sissi ausgeschlafen hatte, in Hamburg spazieren gegangen. An der Binnenalster, über die Mönckebergstraße, über den Neuen Wall, sie in einem dunkelbraunen Nerzmantel, er in einem gefütterten Paletot und einer tief in die Stirn gezogenen Sportmütze, die er früher als proletarische Kopfbedeckung nie angefaßt hätte. Sie tranken Kaffee im Alster-Café, durchstreiften die feudalen Einkaufspassagen, aßen Pizza beim Italiener auf der Großen Bleichen und fütterten die Möwen, die sie in Schwärmen am Ballindamm umkreisten.
    Rutkin, dem diese Annäherung natürlich nicht verborgen blieb, fragte Sissi einmal: »Wart ihr schon zusammen im Bett?«
    »An etwas anderes kannst du wohl nicht denken«, antwortete sie aufgebracht.
    »Also noch nicht. Dann wird's aber Zeit, Süße. Wenn jemand ihn von dem verrückten Gedanken, diese Ulla hier zu finden, ablenken kann, bist du es. Nur du kannst ihm klarmachen, daß es keine Ulrike Sperling in Hamburg gibt. Mehr als wir kann auch die Kripo nicht tun. Und wenn Chinesen-Otto keinen Erfolg hat, wer soll ihn dann haben? Sissi, leg den Doktor auf die Matratze, damit er den ganzen Unsinn vergißt.« Rutkin hatte sie forschend angesehen.
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