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Die Durchschnittsfalle (German Edition)

Die Durchschnittsfalle (German Edition)

Titel: Die Durchschnittsfalle (German Edition)
Autoren: Markus Hengstschläger
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signifikanter Zusammenhang zwischen blauen Augen und „Verheiratet-zu-Sein“ besteht, so käme doch auch niemand auf die Idee, den Eltern eines blauäugigen Kindes zu sagen: „Ihr Kind wird einmal heiraten!“ Ich weiß, das ist ein wirklich vereinfachtes Beispiel. Es soll ja auch nur klarmachen, dass die postulierten Zusammenhänge eigentlich sehr oft nicht mehr können als die Glaskugel einer Wahrsagerin. (Und ich möchte auch nicht so interpretiert werden, dass mein Beispiel meinen könnte, dass man, um zu heiraten, blauäugig im übertragenen Sinn sein muss).
    Die eingeschränkte Aussagekraft ist auch einer der Gründe, warum die Bioethikkommission des österreichischen Bundeskanzlers, deren stellvertretender Vorsitzender ich sein darf, zu erhöhter Vorsicht beim Umgang mit Gentests aller Art aus dem Internet rät (www.bka.gv.at / DocView.axd?CobId=40383). Außerdem können solche Gentests auch sehr ernste, ethisch nicht akzeptable Konsequenzen haben. Stellen wir uns einen Sportklub vor, der dem Kind die Aufnahme verweigert, weil solch ein Gentest ihm keine „genetische“ Sportlichkeit attestiert. Stellen wir uns eine Musikschule vor, die vor Aufnahme auf einen Gentest der „musical genes“ besteht. Stellen wir uns Eltern vor, die meinen, nicht in die Ausbildung ihres Sohnes investieren zu wollen, weil ja die entsprechende „genetische Prognose“ alles andere als erfreulich ist. Das muss unbedingt verhindert werden. Das hat in unserer Diskussion keinen Platz. Besondere Leistungsvoraussetzungen können nur durch harte Arbeit in eine besondere Leistung umgesetzt werden. Das heißt aber auch umgekehrt, dass jeder das Recht haben muss, vielleicht nicht so ideale Leistungsvoraussetzungen (was auch immer das sein könnte und durch solche Gentests wäre es sicher nicht bestimmbar) durch besonders harte Arbeit, durch besondere Begeisterung und durch andere Begabungen zu kompensieren. Wir müssen auf unsere Gene auch pfeifen (dürfen)! Ich komme gleich dazu.
    Stärken stärken und ein Auge zudrücken
    Wie findet man aber dann die Talente seiner Kinder? Oder seine eigenen? Das Spektrum des Angebots muss offen sein, es muss groß sein, es muss niederschwellig zugänglich sein und es muss gefördert werden, es zu nutzen. Ausprobieren, neugierig sein, Individualität nicht fürchten, sondern suchen. Umso mehr man ausprobiert, desto größer ist die Chance, „das Seine“ zu entdecken. Wachsam bleiben – das gilt für uns alle. „Die wichtigste Aufgabe der Erziehung besteht darin, ein Umfeld zu schaffen, das bei Schülern Glückserlebnisse auslöst, wenn sie ihre Talente ausüben – zu ihrem eigenen Nutzen und dem der Gesellschaft“ , schreibt der Mitbegründer der Sir-Karl-Popper-Schule, Berater und Bestsellerautor, Dr. Andreas Salcher in seinem Buch „Der talentierte Schüler und seine Feinde“.
    Nehmen wir einmal an, ein Kind, das gar nichts gelernt hat, weil es nur am Fußballplatz oder vor dem Computer war, kommt mit vier sehr schlechten und einer ausgezeichneten Note nach Hause: Was sagen mittlerweile die Eltern, die Lehrer, die Politik zu so einem Kind? Ich fürchte, sie sagen: „Da, wo Du die ausgezeichnete Note hast, da lernst Du jetzt gar nichts mehr – da bist du ja schon so gut wie durch! Aber in den Fächern, in denen Du die schlechten Noten hast, da wirst Du ab sofort Nachhilfe bekommen, lernen und üben, Tag und Nacht, damit Du möglichst schnell in diesen Fächern wieder … Durchschnitt … bist!“
    Wir haben es nicht verhindert, dass sich ein super effizientes System durchgesetzt hat, seinem Gegenüber zu sagen, was es nicht kann, um ihm anschließend zu sagen, dass es sich ab sofort nur mehr damit beschäftigen soll, was es nicht kann! Das führt dann dazu, dass dieses Kind in seinen schlechten Fächern Durchschnitt wird und das Fach, in dem es die ausgezeichnete Note hatte, vernachlässigt und dadurch auch dort Durchschnitt wird. Ein durchschnittliches, unauffälliges, angepasstes Kind – oh, welch ein Freude für uns alle! Ein rein defizitorientiertes System ist talentfeindlich und führt uns mit Vollgas in die Sackgasse des Durchschnitts. Wie viele Abteilungsleiter, Firmenbosse, Vorgesetzte aller Art haben in ihren Schubladen Leitlinien zum Aufdecken von Fehlern bei ihren Mitarbeitern? Das Entdecken von Fehlern, das Aufzeigen von Fehlern, das Stigmatisieren von Fehlern, das Bekämpfen von Fehlern, das Umgehen mit Fehlern, all das ist zu einer eigenen Profession geworden, ja scheint die
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