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Die dunklen Wasser von Arcachon

Die dunklen Wasser von Arcachon

Titel: Die dunklen Wasser von Arcachon
Autoren: David Tanner
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hat er gesagt, und er hat uns gefragt, mit so durchdringendem Blick: ›Also, ist die Sache abgemacht?‹«
    Guillaume schluckte schwer, nicht weil ihm womöglich die Tränen kamen, in ihm arbeitete eher eine Mischung aus Wut und Scham. Trauer konnte Kirchner an ihm nicht erkennen.
    »Und wir haben eingeschlagen.«
    »Was ist schiefgegangen?«
    »Alles ist schiefgegangen.«
    Kirchner konnte spüren, dass sich Guillaume Dufaut mindestens ebenso sehr als Opfer fühlte, wie er Täter war. Und wenn er sich die Geschichte dieses hohläugigen Fischers vergegenwärtigte, war das noch nicht einmal ein Wunder.
    Keine vier, fünf Jahre zuvor hatte er noch das gleichförmige Leben eines Mannes der See geführt wie alle seine Vorväter, der Alltag legte ihm die alten Pflichten auf, das Meer und seine Gezeiten schrieben seinen Tagesplan.
    Nautilus hatte das alles durcheinandergebracht. Immer öfter hatte er nicht mehr auf Deck, sondern auf dem gebohnerten Parkett der Empfänge gestanden, hatte sich ungeschickt in der gehobenen Gesellschaft bewegt, war seiner ehrgeizigen Frau gefolgt wie ein dummer, braver Hund. Nun fühlte er sich ausgenutzt, ein Instinkt war in ihm angesprungen, der ihm eingab, dass er bis hierher und nicht weiter gehen konnte. Ein Mord war zu viel für sein Gemüt, er wollte nicht länger Komplize sein, das Spiel, das ihn selbst am meisten verwirrte, musste enden. Er wollte seinen Frieden wieder.
    »Diese Leute«, sagte Guillaume jetzt und meinte damit Lacombes Mörder, »haben ihn am Dienstag in der Dämmerung bei einem Jagdausflug …« Er kam ins Stocken.
    »Umgebracht«, hakte Kirchner ein.
    »Ja, also er war tot am Dienstag. Lacombe war ein passionierter Jäger, ein guter Schütze, er holte die Wildenten vom Himmel wie andere Leute Kirschen pflücken, und er ging oft mit Jägern aus der Gegend auf die Pirsch, um seine Künste vorzuführen.«
    Kirchner nickte.
    »Decayeux, also der Sohn jetzt, Deca, hat angerufen bei mir und gesagt, was wir vorher verabredet hatten, er hat gesagt: ›Für morgen früh ist Sturm angesagt‹, und da wusste ich, dass ich gleich zum Hafen musste. Ich hab Nadine Bescheid gegeben, und dann ging es los.«
    Kirchner stand kurz vor der Auflösung des Rätsels. Er war froh, dass sich dieser Kreis endlich schloss, er spürte wieder einen Anflug jener Müdigkeit, die ihm seit Neuestem immer wieder einmal zu schaffen machte.
    »Und weiter? Was kam als Nächstes?«
    »Wir haben uns am Hafen getroffen«, erzählte Guillaume. »Deca ist mit seinem Pick-up gekommen, es war so gegen zehn Uhr abends. Keine Kollegen da, weil ja wirklich ein Sturm angesagt war für Mittwochfrüh, das fand ich sehr merkwürdig, ehrlich gesagt, es kam mir wie ein Wink vor, aber nun war es ja nicht mehr zu ändern, wir mussten die Sache durchziehen. Deca hatte die Leiche zwischen Plastikkisten gepackt, wir haben sie mit dem Kran von seinem Pick-up auf das Schiff gehoben, auf einer Palette, das war perfekt. Selbst wenn da einer auf der Kaimauer gestanden hätte, der hätte nichts gesehen, so gut war Lacombe versteckt. Wir sind dann rausgefahren.«
    »Von wegen Racheakt, wie?«
    Guillaume überging seinen Kommentar, er war mitten in der Geschichte: »Wir sind rausgefahren, gut zwei Stunden lang, fast drei, alle auf der Falcon , das ist durchaus üblich, dass Kollegen zusammen rausfahren manchmal, also das fällt nicht weiter auf. Wir haben die beiden Schleppnetze einmal weggefiert, um auch mit Beute wiederzukommen, denn sonst wäre das ja komisch gewesen, wenn wir einfach nur zu einem Ausflug rausgefahren wären. Also, wir haben gefischt, wie immer, mit der Leiche auf der Kiste vor dem Führerhaus, haben ordentlich Seezungen gefangen und schnell verarbeitet, wie immer. Nadine ist seekrank geworden, das passiert ihr eigentlich nie, sie hing über der Reling und hat sich übergeben, immer wieder. Es ging uns allen nicht gut, die Leiche da hat uns auf den Magen geschlagen, es ging uns eigentlich ziemlich entsetzlich, um die Wahrheit zu sagen.«
    Kirchner spürte kein Mitleid. Er verstand wohl, dass Guillaume, Nadine und Deca nur Handlanger waren.
    Aber ohne die Handlanger , dachte er, geht es nie.
    »Die Stelle, wo wir ihn loswerden wollten, hatten wir vorher festgelegt. Noch ein deutliches Stück weiter hinter der Untiefe vor Cap Ferret gibt’s eine ziemlich stabile Strömung, die zum Meerboden führt. Wir kennen die, weil es einem da glatt die Ketten zerbrechen kann wegen dem Sog. Nadine hat zu weinen angefangen,
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