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Die dunklen Wasser von Arcachon

Die dunklen Wasser von Arcachon

Titel: Die dunklen Wasser von Arcachon
Autoren: David Tanner
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gerechnet.«
    Kirchner sagte erst nichts. Er ließ Decayeux ein wenig zappeln, zwei, drei effektvolle Sekunden lang.
    »Und Sie, Monsieur«, sagte er dann, »haben mir auf meine Fragen noch nicht geantwortet.«
    Decayeux vermied seinen Blick. Das war ungewöhnlich nach allem, was Kirchner bislang mit ihm erlebt hatte.
    »Wir haben nichts zu besprechen«, sagte er, nicht kleinlaut, aber ohne die Aggressivität, die ihn sonst auszeichnete.
    »Mit Verlaub«, sagte Kirchner, »aber das sehe ich anders. Mich würde zum Beispiel interessieren, wo Sie Ihre Steuern bezahlen: in Frankreich – oder in Andorra?«
    »Sie können so lange graben, wie Sie wollen«, sagte er, »Nautilus ist ein völlig legales und dabei faszinierendes Projekt, das am Ende den Reichtum der Region mehren wird.«
    »Sie müssen mich nicht bekehren, Monsieur Decayeux«, antwortete Kirchner. »Um die technischen Fragen werden sich sicher bald Kollegen kümmern, die mehr davon verstehen als ich. Ich bin eher ein Spezialist für Menschen und Todesfälle.«
    »Sie leben gefährlich«, sagte Decayeux. Es war ein überraschender Angriff. »Wir sind schon mit anderen von Ihrem Schlag fertiggeworden.«
    »Sie drohen mir?«
    »Ich gebe Ihnen nur einen guten Rat. Lassen Sie die Finger von Dingen, die Sie nichts angehen und die Sie nicht verstehen.«
    Die beiden standen ein wenig abseits, waren ein paar Schritte aus dem größten Trubel herausgegangen, aber der Bürgermeister musste doch ständig, während er mit Kirchner verhandelte, nach dieser oder jener Richtung ein bekanntes Gesicht grüßen und brachte es dabei sogar noch fertig, eine freundliche Miene aufzusetzen.
    Kirchner beobachtete ihn dabei, er verachtete ihn für seine falschen Fertigkeiten.
    »Ich glaube«, sagte Kirchner, »dass eher Sie es sind, der guten Rat nötig hat. Ich komme eben von Monsieur Barrier. Er lässt Ihnen ausrichten, dass er nicht alleine untergehen wird.«
    Decayeux schloss die Augen wie ein verzweifelt Betender. Er atmete tief ein und aus, seine Lippen zitterten. Kirchner meinte zu bemerken, dass er ein cholerisches Brodeln in seinem Inneren nur mit Mühe unterdrückte und dass er kurz davorstand, sich hier, in aller Öffentlichkeit, inmitten seines Wahlvolks, zu vergessen.
    »Ich kenne keinen Barrier«, sagte Decayeux und musste dabei ein Hüsteln unterdrücken.
    »Natürlich nicht. Das war sicher Teil der Verabredung, nicht wahr?«
    »Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen«, antwortete der Bürgermeister.
    Er wirkte jetzt wie einer der vornehmen Kriminellen aus Fernsehserien, die an bestimmten Stellen immer sagten: »Ohne meinen Anwalt sage ich kein Wort mehr.«
    Kirchner nickte bedächtig, er war in Form.
    »Für mich ist so weit eigentlich alles klar«, sagte er. »Ich verstehe bis jetzt nur die Geschichte mit dem Ausflug aufs Meer nicht. Haben Sie Ihren eigenen Sohn mit in die Sache hineingezogen?«
    »Ich habe niemanden irgendwo hineingezogen. Ich weiß nicht, von welcher ›Sache‹ Sie reden. Ich rate Ihnen nur …«
    »Noch ein Ratschlag …«, warf Kirchner ein.
    Decayeux wischte den spöttischen Kommentar mit einer Handbewegung weg: »Ich rate Ihnen nur zu Vorsicht, Kirchner. Meine Verbindungen reichen weit. Wenn Sie anfangen, Ihre Lügen zu verbreiten, werden Sie damit nicht lange glücklich werden, merken Sie sich das.«
    Und darauf machte er Kirchner klar, dass er das Gespräch für beendet ansah.
    Kirchner sah ihm hinterher, fast mitleidig. Decayeux steuerte auf eine alte Dame zu.
    »Madame«, hörte Kirchner ihn in schwärmerischem Ton sagen, »Sie sehen blendend aus, wie immer. Wie geht es Ihrem Mann? Spielt er immer noch eifrig Tennis? Also, da kann ich nur sagen: Chapeau!«
***
    Eine halbe Stunde später läutete Kirchners Blackberry, und Guillaume Dufaut war am Apparat.
    Kirchner lungerte am Strand in Arcachon herum, er lag mit hinter dem Kopf verschränkten Armen im Sand und genoss für ein paar Minuten die Sonne.
    »Wir müssen reden«, sagte Guillaume.
    Kirchner sah ihn vor sich, hager und knochig, mit seinen tief liegenden Augen, aber er klang viel aktiver als in den vergangenen beiden Tagen.
    »Ich wüsste nicht, worüber«, sagte Kirchner vergnügt.
    Er war jetzt wieder ganz Herr des Verfahrens. Er hatte so viele Fallen aufgestellt, dass ständig irgendwo eine zuschnappte, er konnte es regelrecht hören, im weiten Umkreis, rings um das Becken.
    Guillaume stutzte hörbar.
    »Sie machen einen Scherz, wie?«, fragte er. »Kommen Sie zum Haus meines
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