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Die dunklen Wasser von Arcachon

Die dunklen Wasser von Arcachon

Titel: Die dunklen Wasser von Arcachon
Autoren: David Tanner
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aufgesteckten Spitze aus Schildpatt zu rauchen pflegte.
    Melanie de Maistre kam aus Paris, das war eine hohe Ehre, weil sie die Stadt kaum je verließ. Die Klatschkolumnistin von Madame Figaro trug eine Pelzstola und sah wie eine Zarin auf Landausflug aus. Sie erzählte gleich bei der Ankunft mit gespielter Entrüstung, wie Kirchner ihr am Telefon über Lacombe nicht einmal die halbe Wahrheit erzählt hatte, während sie an Kirchner gewandt sagte, nun sei er auch noch der größte Klatschreporter der Republik.
    Auch Pierre Lasserre, der Koch aus Arcachon, hatte es sich nicht nehmen lassen zu kommen. Er freute sich darauf, selbst einmal bekocht zu werden, und bei seiner Ankunft holte er aus dem Kofferraum eines großen Citroën eine Schüssel Schweineleberpastete, in die er zu Ehren Kirchners vier große schwarze Trüffel aus dem Périgord gehobelt hatte.
    Kirchner empfing alle mit Umsicht und Herzlichkeit. Er öffnete die ersten Flaschen.
    Die kleine Gesellschaft, die stetig anwuchs, verteilte sich auf der Terrasse hinter dem Haus, wo der Blick in die welligen Wiesen der Normandie ging. Das Wetter war nicht wirklich freundlich, aber erträglich, ein kühler, trockener Abend zog auf, den man in Strickjacken gehüllt gut überstehen konnte.
    Pierre Bouchot kam mit seinem Vater. Der junge Bouchot trat unsicher vor Kirchner hin; er war noch immer tief beeindruckt davon, wozu sich die Geschichte, die mit einem Mittagessen im L'Océan begonnen hatte, ausgewachsen hatte.
    Wie jedes Jahr hatte Kirchner auch Nachbarn eingeladen, den Cidre-Produzenten Berthillon und die Bauern aus der Gegend, die mit ihren Frauen und erwachsenen Kindern zum Festmahl kamen und Geschenke brachten. Man kannte sich, teils schon seit Generationen.
    George übernahm es, den Gästen die Gläser vollzuschenken und sie hinter das Haus zu führen, wo sein Sohn die Austern aus Arcachon zu Pyramiden aufgeschichtet hatte, die sie zu zweit, in mühevoller, routinierter Kleinarbeit, den Nachmittag über geöffnet hatten, während es in den Töpfen schon brodelte und in den Herden das Lamm unter schweren gusseisernen Deckeln schmorte.
    Kirchner drückte seinem Chef Pelleton ein Champagnerglas in die Hand, zog ihn auf die Seite und sagte: »Henri, eine Frage ist mir noch geblieben. Als du mich angerufen hast ganz am Anfang, woher wusstest du, dass Lacombe tot war?«
    Pelleton fühlte sich durch die Frage geehrt, er war immer stolz auf seine Informationen. »Das kann ich dir nicht sagen«, antwortete er, »das ist ein Geheimnis.«
    »Mach dich nicht lächerlich, Henri, du hast vor mir keine Geheimnisse.«
    Pelleton schüttelte den Kopf. »Nein, Antoine, ich kann es dir nicht sagen. Aber stell dir einfach vor, dass die Welt sehr klein ist. Und dass es außer mir auch andere in meinem Heimatdorf gegeben hat, die es in die Welt hinausgezogen hat.«
    »Es war eine baskische Verbindung?«, fragte Kirchner amüsiert.
    »Wenn du so willst«, sagte Pelleton.
    »Steckt am Ende die Eta hinter allem?«, fragte Kirchner scherzhaft. »Was für ein meisterhafter Plan!«
    Pelleton machte beschwichtigende Handbewegungen. »Es ist viel banaler, wie immer. Ein alter Schulfreund von mir arbeitet bei der Küstenwache. Die wussten alles, von Anfang an.«
    Kirchner nickte. »Schön, dass das auch geklärt ist.«
    Er sah sich um und ging die Anwesenden durch. Die Gesellschaft war vollzählig, schien ihm, nur ein Gast fehlte noch, auf den er allerdings mit einer gewissen Unruhe wartete.
    Er hatte auch Muriel, die neue Kollegin, die den Obduktionsbericht beschafft hatte, eingeladen. Sie war ihm am Telefon sehr sympathisch erschienen, und Pelleton hatte so von ihr geschwärmt, dass er sich kurzerhand entschlossen hatte, sie dazuzubitten. Nun war sie aber noch nicht da und schon über eine Stunde verspätet.
    Kirchner kam sich ein wenig albern vor, deshalb in Unruhe zu geraten. Er hatte dafür ja nicht den geringsten Grund, sagte er sich. Und doch hörte er jetzt, während die anderen redeten, nur unkonzentriert zu, hatte ein Ohr immer Richtung Hoftor gerichtet, nippte ein wenig lustlos am vorzüglichen Champagner, der von einem kleinen Winzer in Epernay stammte.
    »Also diese Austern«, sagte Pelleton gerade, als er sich eine asiatisch gewürzte mit nach hinten gelegtem Kopf einverleibt hatte, »ich habe selten so gute Austern gegessen. Aber was sagen eigentlich Sie dazu, Monsieur Kirchner, dass Ihr Sohn es wagt, Austern aus Arcachon in die Normandie zu importieren?«
    »Darüber haben
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