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Die dunklen Wasser von Arcachon

Die dunklen Wasser von Arcachon

Titel: Die dunklen Wasser von Arcachon
Autoren: David Tanner
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Schwiegervaters, es ist wichtig.«
***
    Kurze Zeit später saß Kirchner zum dritten Mal binnen Kurzem auf der unverfugten Terrasse vor dem unbehausten Neubau in Biganos. Er hätte sich den Pastis schon selber holen können, so gut kannte er sich mittlerweile aus bei Moreau. Der Alte selbst war nicht da.
    »Er ist beim Angeln«, sagte Guillaume.
    »Und Nadine ist auch nicht da?«, fragte Kirchner.
    »Nein, wir sind allein.«
    Kirchner sah ihm an, dass er wieder nicht viel geschlafen hatte in der vergangenen Nacht. Wahrscheinlich hatten er und Nadine nach ihrer Begegnung bei der Hochzeit noch stundenlang weiter darüber diskutiert, was zu tun sei, wem man vertrauen könne, an wen man sich wenden müsse.
    »Es war ein Unfall«, sagte Guillaume.
    Kirchner winkte ab. »Nicht wieder diese Geschichte, davon hab ich jetzt wirklich genug.«
    »Warten Sie, warten Sie!«
    »Wieso wollen Sie mit mir reden, hier, allein? Wieso ist Nadine nicht da, mit der Sie doch sonst alles teilen, sogar Ihren Anrufbeantworter?«
    Guillaume zuckte müde mit den Schultern. »Das Geld macht uns alle kaputt. Eigentlich hab ich es von Anfang an gewusst. Das Geld macht uns alle kaputt.«
    Kirchner spürte seinen kleinen Rucksack zwischen den Füßen, darin seine Kladden und der Laptop, in der Vordertasche steckte eine Packung Rothmans . Er holte sie hervor und bot Guillaume eine an, aber er nahm lieber eine seiner Dunhill-Menthol .
    »Sie hatten recht gestern. Lacombe hatte ein Loch im Kopf.«
    »Das weiß ich schon«, erwiderte Kirchner.
    »Aber damit haben wir nichts zu tun.«
    »Das weiß ich auch.«
    Darüber schien sein Gegenüber sehr erleichtert zu sein. Es war ihm offenkundig ein wichtiges inneres Anliegen, nicht als Mörder zu gelten, vor niemandem. Diesen Rest Anstand hatte er sich, wie es schien, bewahrt.
    »Der alte Decayeux hat uns zu Komplizen gemacht«, fuhr Guillaume fort, »er ist kein guter Mensch.«
    »Im Gegensatz zu euch, wie?«
    Guillaume hob die Hände, die Geste besagte: »Wart’s ab, du wirst es nicht bereuen.«
    »Vor zwei Wochen«, sagte er, »hat er uns zum Essen ausgeführt. Wir waren zu viert, also Nadine und ich, Deca und er.«
    »Bestimmt Chez Janine , wie?«
    »Nein, wir waren in einer Pizzeria in Andernos, aber das ist ja auch egal. Es war ein ganz seltsamer Abend. Decayeux hat uns einen langen Vortrag gehalten über Nautilus , er hat bestimmt eine Stunde lang ununterbrochen geredet. Er hat erzählt, dass die Sache in Bordeaux durch sei und dass sich in Paris auch niemand mehr querstellt. ›Die Bauarbeiten‹, hat er gesagt, ›werden noch in diesem Winter beginnen.‹ Wir haben uns sehr gefreut, als er das erzählt hat. Ich meine, verstehen Sie? Wir waren ja dafür, seit Jahren hatten wir die ganzen Versammlungen besucht, die Leute kennengelernt, für Nautilus überall geworben, uns gestritten, es war eine wirklich gute Nachricht. Wir haben darauf angestoßen, er hat Champagner bestellt, aber da kam noch mehr hinterher.«
    Kirchner verbot es sich, Guillaume noch einmal zu unterbrechen. Die Abwesenheit Nadines ließ ihn viel flüssiger reden, er war weniger gehemmt, er fand die Worte, die er suchte, schneller. Kirchner hörte gespannt zu.
    »Decayeux hat uns so einen ausgedruckten Zettel auf den Tisch gelegt, von dem hatte er sogar Kopien für uns drei dabei. Ich kann Ihnen den zeigen, warten Sie.« Guillaume fasste in die Tasche seines speckigen Parkas und holte ein gefaltetes DIN-A4-Blatt heraus. »Hier, diesen Zettel hat er uns hingelegt.«
    Kirchner faltete das Blatt auf.
    Es war eine Art Organigramm. Kästchen mit Namen waren unter- und nebeneinander durch Linien verbunden, die alle auf eines ganz oben zuliefen, in dem Decayeux’ Name stand. Es war ein vereinfachter Plan für die künftige Geschäftsverteilung bei Nautilus . Das Gestrüpp der Tochtergesellschaften war gelichtet, Decayeux hatte den jungen Leuten nicht die ganze Holding aufgemalt, sondern nur die Kästchen, die für sie von Interesse waren.
    Der alte Decayeux würde der allmächtige Chef und Generaldirektor sein, im Vorstand der Muttergesellschaft würden die Pariser Minister sitzen, im Aufsichtsrat ein paar Lokalgrößen, das alles hatte Kirchner längst und schon präziser vor Augen gehabt.
    Auf diesem Zettel hier war vor allem die Ebene unter dem Vorstand interessant, weil sie die Anonymität der Positionen durch echte Namen ersetzte. Nadine Dufaut war als Direktorin für Öffentlichkeitsarbeit vorgesehen, Guillaume stand da als Direktor
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