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Die dunklen Engel (German Edition)

Die dunklen Engel (German Edition)

Titel: Die dunklen Engel (German Edition)
Autoren: Susannah Kells
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sie.
    Marchenoir hatte eine weitere Zigarre aus seiner Westentasche genommen und beugte sich vor, um sie an der Kerze anzuzünden. «Was bist du außer Pferdemeister noch?»
    Gitan zuckte die Achseln. «Nichts.»
    Marchenoir starrte ihn an. Wenn sein Gesicht ruhig war, hatte es etwas Brütendes, als rührte er in Gedanken einen Topf voller Gräueltaten um. Langsam breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. «Ich habe von Bürger Belleau gehört, dass du mehr bist.» Er achtete nicht auf Gitans Achselzucken. «Du bist ein Spitzel, Gitan, ein Spitzel.»
    «Wenn Bürger Belleau es sagt.»
    Marchenoir lachte. «Bürger Belleau sagt es. Er sagt auch, du hast uns viele wertvolle Informationen aus der Englischen Botschaft geliefert.»
    Gitan erwiderte nichts. Marchenoir sagte die Wahrheit. Seit drei Jahren, seit er in Lord Werlattons Diensten stand, überbrachte der Zigeuner Nachrichten an die Regierung, die in Paris das Sagen hatte, wer auch immer gerade die Macht in Händen hielt. Marchenoir pulte sich einen Tabakfaden von den Lippen. «Leugnest du es?»
    «Nein.»
    «Und was wird aus dir, Pferdemeister, wenn die Botschaft geschlossen wird?»
    Gitan zuckte die Achseln. Die Britische Botschaft war eine der letzten in Paris. Nach dem Gemetzel dieser Woche würde sie zweifellos die Tore dichtmachen. «Für einen guten Pferdemeister gibt es immer Arbeit.»
    «Wie für eine Hure oder einen Advokaten, was?» Mit verquollenen, rotgeränderten Augen beobachtete Marchenoir den Zigeuner. «Will dein kleiner englischer Lord, dass du bei ihm bleibst?»
    Gitan wartete einen Augenblick und nickte dann. «Ja.»
    Marchenoir lächelte. «Sag mir, Pferdemeister, weißt du, wer der Vater des kleinen Lords ist?»
    «Ein Graf.»
    «Ein Graf.» Marchenoir sprach das Wort mit Ekel aus. Er war für seinen bitteren Hass auf die Aristokratie berühmt. «Aber nicht nur ein Graf, Pferdemeister. Vor seinem Unfall war er Herr über alle britischen Spitzel. Wusstest du das?»
    «Nein.»
    «Chef des britischen Geheimdienstes.» Marchenoir sagte es, als spräche er zu einem kleinen Kind über ein schreckliches Ungeheuer. Er lachte und spuckte einen weiteren Tabakfaden auf das Blut. «Herr aller englischen Spitzel! Die Lazenders stecken so verdammt tief in der Bespitzelung, dass sie Augen am Hintern haben. Ihr kleiner Lord ist ein Spitzel, nicht wahr?»
    Der Zigeuner schwieg, obwohl er wusste, dass die Anschuldigung berechtigt war. Lord Werlattons Aufgabe in der Pariser Botschaft war es, die Politiker und Bürokraten von Paris zu unterhalten. Also überschüttete er sie mit Champagner und anderem Luxus und überließ den Rest ihrer Indiskretion.
    Mit der Zigarre wies Marchenoir auf Gitan. «Und, gehst du mit deinem Lord nach England, Zigeuner?»
    «Ich weiß nicht.»
    Marchenoir starrte ihn an, als überlegte er, ob Gitan die Wahrheit sagte. Langsam verzog er den Mund zu einem Grinsen. «Ich will, dass du mit ihm gehst.» Der Zigeuner blieb stumm. Marchenoir fuhr leise fort: «Ich will, dass du gehst, Gitan, weil wir bald im Krieg sein werden mit England und weil die Engländer dich bitten werden, für sie zu spionieren.»
    Der Zigeuner zuckte die Achseln. «Warum sollten sie mich darum bitten?»
    «Hat Gott euch Zigeunern so wenig Verstand gegeben?» Marchenoirs Lächeln nahm seinen Worten den Stachel. «Sie werden einen Mann wollen, der Französisch spricht und von dem sie wissen, dass er Freunde in Paris hat. Natürlich werden sie dich rekrutieren! Sie werden denken, du arbeitest für sie, aber in Wirklichkeit wirst du für mich arbeiten.» Die letzten Worte sagte er langsam und eindringlich.
    «Für dich?»
    «Ich brauche einen Boten, Pferdemeister, der zwischen hier und London reisen kann. Einen Boten, der vollkommen sicher reisen kann», sagte Marchenoir leise und drängend. «Also lässt du dich von ihnen rekrutieren. In England werden sie dich beschützen, und in Frankreich beschütze ich dich. Was könnte besser sein? Unser Feind wird dein Freund sein.»
    Der Zigeuner rührte sich nicht. Mit seinen seltsam hellblauen Augen starrte er sein Gegenüber an, das lange schwarze Haar lag wie ein Schatten um sein schmales Gesicht.
    Marchenoir deutete mit seiner Zigarre auf die Kerze. «Nicht ich bitte dich darum, Gitan, und auch nicht Frankreich. Sondern dies.»
    Der Zigeuner schaute auf die Flamme. Er verstand die geheime Botschaft, die ihm gerade überbracht wurde. Die Kerze gab Licht, und Licht war Vernunft, und Vernunft war das Evangelium der
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