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Die dunkle Seite des Mondes

Die dunkle Seite des Mondes

Titel: Die dunkle Seite des Mondes
Autoren: Martin Suter
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sei er auf deinem eigenen schäbigen Mist gewachsen, wollte Urs Blank antworten. Er hielt sich zurück. Aber ganz ohne Bosheit blieb seine Antwort nicht.
    »Auch in der Architektur hat sich seit Gropius und Mies van der Rohe nicht viel getan.«
    Sie senkten ihre Blicke betreten auf die Schuhspitzen. »Wo hast denn du dich herumgetrieben!« rief Evelyne aus. Urs Blank hatte seine Schuhe beim Waldausgang so gut es ging mit einer Handvoll Laub gereinigt. Es war ihm nicht entgangen, daß bereits im Tram die feuchte Walderde getrocknet war und eine helle Farbe angenommen hatte. Aber er hatte sich nicht weiter darum gekümmert. Auch das Buchenlaub hatte er in seinen Hosenaufschlägen belassen.
    »Im Wald«, gab er zur Antwort.
    »Etwas vom Besten«, sagte Halter. »Wer Architektur begreifen will, sag ich, muß in den Wald gehen.«
    »Arschloch«, murmelte Blank.
    »Beleidige doch deine eigenen Kunden«, schimpfte Evelyne, als sie nach Hause kam. Urs Blank saß im Wohnzimmer, hätschelte ein Glas Armagnac und hörte Mendelssohn. Er trug noch immer die lehmigen Schuhe.
    »Er hat es nicht mitbekommen. Ich habe dazu gelächelt.«
    » Ich habe es aber mitbekommen. Es hat mich beleidigt.«
    »Das wollte ich nicht. Entschuldige.«
    Evelyne ging aus dem Zimmer. Er hörte ihre Schritte auf dem Parkett des langen Korridors und dann die Tür zum Ankleidezimmer. Als sie zurückkam, war Urs gerade der Versuchung erlegen, noch einen Fingerbreit nachzuschenken. Evelyne war abgeschminkt und trug einen schokoladenbraunen Kimono. Sie hatte ihre schwarzen Haare im Nacken zusammengebunden, und ihre Haut glänzte von einer Nachtcreme. So war sie zurechtgemacht, wenn sie vorhatte, in ihrem eigenen Schlafzimmer zu schlafen.
    »Ich tauche ja auch nicht bei deinen Geschäftsanlässen auf und beschimpfe deine Klienten als Arschlöcher.«
    »Du wärst jederzeit willkommen.«
    Evelyne musterte Urs aus leicht zusammengekniffenen Augen. Sie hatte ihre Kontaktlinsen schon entfernt. »Ist etwas nicht in Ordnung?«
    Urs Blank hob die Schultern. »Ab und zu stinkt’s jedem.«
    Evelyne beugte sich zu ihm hinunter und hielt ihm die Wange hin. Sie roch gut nach teuren Cremes. Er küßte sie. Sie deutete auf das Glas. »Das macht es auch nicht besser, das ist dir wohl klar.«
    Als sie draußen war, schenkte sich Urs noch einen Fingerbreit nach.
    Aus den zwölf Lautsprechern des Hallenbades drangen die Stimmen des Urwalds. Das einzige Licht stammte von den Unterwasserlampen des Fünfzigmeterbeckens, in dem Pius Ott seinen Kilometer schwamm. Er tat das fast lautlos, in regelmäßigen, unangestrengten Zügen.
    Das Bad lag zwei Stockwerke unter dem Haus und war daher fensterlos. Am Rande des Beckens standen ein paar deck-chairs und Liegen, dahinter einige Trophäen: Flußpferd, Alligator, Wasserbüffel, Hammerhai und ein paar andere, die gut zu Wasser paßten.
    Als Ott wendete, sprang die rote Leuchtziffer am Beckenrand auf »1000 m«. Er schwamm weiter. Schwimmen beruhigte ihn. Er ärgerte sich immer noch darüber, daß er Nauer zurückgerufen hatte. Er hatte insgeheim gehofft, dieser würde ihm als Zugabe zum Luchs auch Fluris Balg liefern. Die Nachricht, daß sich der alte Wichtigtuer noch nicht genug aufgespielt hatte, hätte auch bis morgen warten können.
    Er hatte den ELEGANTSA -Coup lange vorbereitet. Sein Engagement bei CHARADE war Teil einer längerfristigen Strategie und band Mittel, die ihm anderswo fehlten. Es war zwar nicht das erste Mal, daß er aus persönlichen Motiven mehr riskierte, als geschäftlich ratsam war. Aber diesmal war er doch etwas weit über das Limit hinausgegangen, das er sich zu setzen pflegte. Selbst für die Maßstäbe des risikofreudigen Investors, der er war.
    Es war natürlich nicht so, daß er einen großen finanziellen Einbruch oder gar so etwas wie einen Bankrott riskierte. Dafür hatte er sich zu breit abgesichert. Aber er riskierte, sich aus dem einen oder anderen Geschäft zurückziehen zu müssen. Rückzüge waren nicht nach Pius Otts Geschmack.
    Deswegen machte ihn Fluris Hinhaltetaktik langsam nervös. Und daß er sich im Hintergrund halten mußte und nicht persönlich eingreifen konnte, machte die Sache nicht besser.
    Die Leuchtziffer sprang auf »1500 m«. Ott schwamm zur verchromten Leiter und kletterte aus dem Wasser. Er war nackt. Das hatte keine erotischen Gründe, Erotik hatte in seinem Leben nie eine besondere Rolle gespielt. Sie beschränkte sich inzwischen auf sehr sporadische Begegnungen mit Frauen, denen
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