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Die dunkle Horde: Ein Trolle-Roman (German Edition)

Die dunkle Horde: Ein Trolle-Roman (German Edition)

Titel: Die dunkle Horde: Ein Trolle-Roman (German Edition)
Autoren: Christoph Hardebusch
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stellen. Seine Sippe mochte nur selten so tief ins Tal hinabsteigen, aber dennoch betrachtete sie es als ihr Gebiet, und in Karn ballte sich Wut über die Frechheit des Unbekannten zusammen.
    Eine weitere Spur stieß zu der ersten. Ähnliches Schuhwerk, gleiche Schrittlänge. Sie vereinten sich und führten weiter hinab. Der Wald wurde dichter, die Bäume größer, ihre Stämme breiter. Sie boten mehr Deckung, aber auch mehr Möglichkeiten für einen Hinterhalt. Unter ihren schneebeladenen Ästen herrschte Schatten, den der Troll ausnutzte. Immer wieder blieb Karn stehen und witterte. Zunächst konnte er keine ungewöhnlichen Gerüche feststellen, doch dann lag da ein metallischer Hauch in der Luft, den er nur allzu gut kannte: Blut.
    Grimmig fletschte der Troll die Zähne und schlich weiter. Jetzt ließ er sich halb von der Spur und halb von dem Geruch leiten. All seine Sinne waren hellwach. Er rechnete jeden Herzschlag damit, auf seine Beute zu treffen.
    Stattdessen fand er eine kleine Lichtung im Wald. Schnee, rot von Blut, viele Spuren. Zuerst glaubte er, den Ort eines Kampfes gefunden zu haben, doch dann bemerkte er mehr Einzelheiten. Fußspuren aus verschiedenen Richtungen, die sich hier trafen. Eine dünne Linie von Blutstropfen, die aus dem Wald kam. Platt gedrückter Schnee, einige Mulden. Und dazu der Geruch. Blut, gegerbtes Leder, Stoff, Öle, Metall. Darüber eine scharfe, fast schon in seinen Nüstern brennende Note. Er war sicher, dass dies der Geruch der Eindringlinge sein musste, der nun hier in der Luft hing.
    Der Ort war kein Kampfplatz. Sondern ein Lager.
    Vorsichtig umrundete Karn die Lichtung. Erst als sich der Troll sicher war, dass niemand mehr in der Nähe war, trat er aus den Schatten des Waldes ins Sonnenlicht und betrachtete die Spuren genauer. Mindestens vier dieser Kreaturen waren hier gewesen, und es sah so aus, als ob sie an diesem Fleck eine gewisse Zeit verbracht hatten. Ob den Tag oder eine Nacht, konnte Karn nicht sagen.
    Er ging neben den Blutspuren in die Hocke und besah sie sich. Es war viel vergossen worden, und der Geruch war noch stark. Karn ergriff eine Handvoll des getränkten Schnees und hielt ihn sich direkt unter die Nüstern. Er kannte diesen Geruch, hatte ihn schon oft wahrgenommen. Speichel lief ihm im Mund zusammen, und sein Magen knurrte vernehmlich. Er schob sich den Schnee in den Mund. Eiskalt lief ihm das Gemisch die Kehle hinab, doch der Geschmack war unverkennbar. Die Eindringlinge hatten ein Fellhorn erlegt. Bei dem Gedanken heulte Karn vor Empörung auf. Sie hatten es gejagt und getötet – im Gebiet seiner Sippe! – und es dann ausbluten lassen. So viel gutes Blut verschwendet. Es war viele Nächte her, dass Karn zuletzt ein Fellhorn gesehen hatte, und nun hatten Fremde eines erbeutet. Nein, gestohlen. Sie haben es uns gestohlen!
    Ein einzelnes Fellhorn würde seine Sippe nicht über den Winter bringen, aber es war besser als das, was Karn bislang erbeutet hatte: nichts. Er schob sich noch eine Handvoll blutigen Schnees in den Mund, dann erhob er sich. Die Sonne stand bereits tief. Hier oben wurde es schnell dunkel, wenn sie sich erst einmal hinter den Bergen verbarg. Die Eindringlinge mochten einen Vorsprung haben, aber Karn dachte nicht daran. Er spürte auch den Hunger nicht mehr, den der Geschmack des Blutes in ihm angefacht hatte. Die Erschöpfung der langen, erfolglosen Jagd war vergessen.
    Unten im Tal gab es Beute. Seine Beute. Karn lief los.

2
    R uk kannte den Tod. Er war ihm schon oft begegnet. Er hatte ihn über andere gebracht, auf der Jagd und im Kampf. Er hatte ihm ins Antlitz geblickt. Manchmal in das gefühllose von Naturgewalten, von Schnee und Eis, von Steinschlag und Unwettern, die selbst Berge erbeben ließen. Manchmal in das rasende von Feinden, von Beute, von Kriegern. Immer war die Fratze des Todes hässlich gewesen. Der Tod war ein alter Bekannter für Ruk, hatte den Troll sein Leben lang begleitet. Das war einfach Teil seiner Existenz, und er nahm es so hin.
    Doch jetzt verspürte er Zorn in sich. Einen seltsamen, ohnmächtigen Zorn, den er so noch nie erlebt hatte. Nicht auf Feinde, sondern auf … worauf eigentlich? Es dauerte einen Herzschlag, bis es ihm bewusst wurde. Auf alles!
    Es war dunkel in der Höhle, es schien gerade noch genug Licht von dem weit entfernten Eingang herein, dass Ruk die anderen Trolle sehen konnte. Er kniete zwischen ihren Leibern, und sein schneller werdender Atem war das einzige Geräusch. Er war der
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