Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Dunkle Erinnerung

Die Dunkle Erinnerung

Titel: Die Dunkle Erinnerung
Autoren: Patricia Lewin
Vom Netzwerk:
aufgehoben als an irgendeinem anderen Ort der Welt.
    »Hast du Angst vor ihm?«, fragte Cody.
    Ryan konnte es nicht leugnen. Trader war der unheimlichste Mensch, den er kannte. Ryan hatte nur deshalb so lange überlebt, weil er sich Männern wie Trader untergeordnet hatte, ohne sich zu widersetzen. »Iss die Suppe. Wird dir gut tun.«
    »Du könntest mir helfen.«
    »Das geht nicht.« Ryan wollte dem Jungen keine Erklärung liefern; dann aber sprudelte er beinahe gegen seinen Willen hervor: »Du kannst nicht weg. Wir sind hier mitten im Nirgendwo.« Und es gab Wächter. Und die Hunde.
    »Also bist du auch ein Gefangener«, stellte der Junge fest.
    Ryan verspürte einen Anflug von Zorn. »Ich bin hier zu Hause.« Cody würde in ein paar Tagen fort sein, er aber musste bleiben. »Ich wohne hier.«
    Cody schaute ihn forschend an, als zweifelte er an Ryans Behauptung. »Ich komme hier raus«, sagte er dann im Brustton der Überzeugung.
    Ryan gab keine Antwort. Wozu auch? Der Junge konnte nicht entkommen. Er würde das Haus erst dann verlassen, wenn Trader ihn holte. Früher oder später würde er es einsehen.
    »Ich schau nachher noch mal nach dir«, versprach er.
    Als er die Tür zusperrte, wurde irgendetwas von innen dagegen geworfen und fiel klirrend zu Boden. Das Tablett! Ryan dachte an das zerschmetterte Geschirr und die Suppe auf dem teuren Teppich und fluchte. Die Schweinerei aufzuwischen war natürlich seine Aufgabe.
    Der Junge würde noch gewaltige Probleme machen. Schade. Denn letztendlich würde man ihn ja doch zerbrechen.
    Hier hatten sie noch alle zerbrochen.

1.
    Er war ein Hüne.
    Hundertzehn Kilo, muskelbepackt, stark wie ein Bär. Und er war jung. Sein Körper hatte die Reise bis zum Mann hinter sich, doch sein Grinsen verriet, dass sein Verstand nicht ganz hatte mithalten können.
    Er hatte eine provozierende Haltung eingenommen, die Füße weit auseinander gestellt, die Arme angewinkelt. Er lächelte. »Jetzt sind Sie fällig.«
    Erin wich zurück. »Ich weiß zwar nicht, was du dir beweisen musst, aber so läuft das nicht.«
    »Ich brauche nichts zu beweisen.« Langsam kam der Hüne auf sie zu.
    Erin trat noch ein Stück zurück und kämpfte ihre aufkeimende Furcht nieder. Sie musste diese Sache durchstehen, um nicht das Gesicht zu verlieren. Dann spürte sie etwas anderes – einen tief im Innern verborgenen Kampfgeist, den sie schon verloren geglaubt hatte.
    »Wo wollen Sie denn hin?«, fragte der Hüne mit hämischem Grinsen.
    Er hatte Recht. Erin hatte kaum noch Platz, einen Angriff zu starten – obwohl sie bezweifelte, dass Bewegungsfreiheit eine große Rolle spielte. Wenn sie flüchtete, hätte der Bursche sie in Sekundenschnelle eingeholt, und das wäre das Aus für sie. Ihre beste Chance bestand darin, nicht von der Stelle zu weichen.
    »Hör mal …«, begann sie.
    Unerwartet griff er an. Seine riesigen Pranken legten sich mit brutalem Griff um ihre Unterarme. Doch die Bewegung war von bloßer Kraft diktiert, nicht von Technik. Blitzschnell drehte Erin sich und rammte ihm den Ellenbogen von unten gegen das Kinn. Der Hüne stöhnte und ließ sie los.
    Wieder wich sie ein paar Schritte zurück.
    Den nächsten Angriff sah sie voraus, hechtete zur Seite und rollte sich ab. Wieder auf den Beinen, wirbelte sie herum und starrte ihn an.
    »Sie sind flinker, als Sie aussehen«, gab er zu.
    »Und du bist ein dämlicher Trampel.« Die Erwiderung war ihr fast gegen ihren Willen herausgerutscht. Dem muskelbepackten jungen Mann gefiel das gar nicht, das war offensichtlich.
    »Jetzt reicht's aber!« Wieder kam er auf sie zu, diesmal zu allem entschlossen.
    Erin wehrte ihn ab, mit ausgestelltem Fuß, Knöchel an Knöchel. Mit der rechten Handkante hieb sie ihm erneut aufs Kinn. Die linke Hand traf seinen Bizeps, dann seinen Hals, sodass er von dem harten Schlag zur Seite geschleudert wurde.
    Bei jeder anderen Gelegenheit wäre das Erschrecken, das sich auf seinem Gesicht spiegelte, komisch gewesen, doch heute war Erin kaum zum Lachen zumute.
    Sie ergriff seinen Arm, verdrehte ihn und warf den Hünen auf den Rücken. Sein massiger Körper schlug krachend auf. Sie stieß nach, rollte ihn auf den Bauch und rammte ihm das Knie in die Nieren. Sein Arm war verrenkt, das Handgelenk nach hinten gedreht. Mit der freien Hand presste sie seinen Kopf auf den Boden. Verzweifelt hämmerte er zum Zeichen der Aufgabe die Faust auf die Matte.
    Die Kursteilnehmer applaudierten.
    Erin hielt den Hünen noch ein paar
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher