Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Dunkle Erinnerung

Die Dunkle Erinnerung

Titel: Die Dunkle Erinnerung
Autoren: Patricia Lewin
Vom Netzwerk:
Sekunden fest, dann ließ sie seinen Arm los und trat zurück.
    »Gut gemacht, Erin.« Bill Jensen, Chefausbilder für Kampfsport im CIA-Trainingscamp, löste sich von der Gruppe der Rekruten und streckte dem jungen Mann die Hand hin. »Sorry, Cassidy. Ist nun mal der Preis dafür, dass du der größte Schläger in diesem Kurs bist.«
    Der Jüngere achtete nicht auf die dargebotene Hand und sprang auf. »Kein Problem.« Er ließ den Kopf kreisen und rieb sich die Schulter. »Ist doch super, wenn ich von 'ner Frau zusammengeschlagen werde, die nur halb so groß ist wie ich.«
    »Das Leben kann manchmal beschissen sein«, bemerkte Erin, während sie ihr Handtuch von einer Mattenecke aufhob. »Besonders bei einem Verein wie dem hier.«
    Sie war immer noch gereizt, mehr als gut war – für sie selbst und für andere. Der Himmel mochte wissen, was geschehen wäre, wäre dieser Kampf echt gewesen. Vielleicht lag genau da das Problem. So ein Kampf war ein Spiel, doch Erin konnte Spiele nicht ausstehen.
    »Machen Sie nur so weiter«, sagte Cassidy, »reiben Sie Salz in meine Wunden!«
    Sie betrachtete ihn prüfend. Wahrscheinlich war er ehemaliger Soldat und hart im Nehmen. Die CIA rekrutierte normalerweise niemanden, der unter einem Mangel an Selbstbewusstsein litt. Folglich brauchte es mehr als eine Niederlage, um Cassidys Ego ernsthaft zu schaden. »Du wirst es überleben«, sagte Erin.
    »Okay«, rief Bill in die Runde. »Muss ich euch die Ergebnisse auseinander klamüsern?«
    »Ja, bitte. Wenn ich dann so wie Erin werde«, sagte eine kleine, stämmig gebaute Frau in der ersten Reihe.
    »Hier im Camp kriegst du keinen Mumm geschenkt, Sheila«, stichelte ein Mann hinter ihr. »Den musst du dir schon erarbeiten.« Der Mann war von mittlerer Größe und Statur, mit grauen Augen und dunkelblondem Haar. Unauffällig. Perfektes Rohmaterial für die CIA.
    Sheila warf ihm einen kurzen kühlen Blick zu und zuckte verächtlich die Schultern. »Das müsstest du ja am besten wissen, Chad.«
    Die Kursteilnehmer johlten und pfiffen und sahen Chad mitleidig an.
    »Reißt so viele Witze, wie ihr wollt«, rief Bill und blickte von einem Teilnehmer zum anderen. »Vergesst aber nicht, um was es hier geht. Ihr müsst lernen, dass Größe und Kraft …«
    »Einen Scheiß bedeuten«, vollendete Sheila den Satz. »Bei den großen Typen macht es bloß mehr Krach, wenn sie auf die Nase fallen. Und die Kleinen«, sie warf Chad einen kühlen Blick zu, »die Kleinen quieken.«
    Eine neuerliche Woge beifälligen Gelächters. »Stimmt«, sagte Bill. »Ihr könnt so stark sein wie ein Ochse, aber diese kleine Lady«, er machte eine Geste zu Erin, »wird eure Kraft gegen euch selbst wenden. Noch Fragen?«
    »Ja«, sagte eine andere Frau. »Das war sehr beeindruckend, Officer …« Sie zögerte, offenbar nicht sicher, wie sie Erin anreden sollte. Es entsprach nicht den Gepflogenheiten im CIA-Trainingscamp, einen Offizier mit Nachnamen anzureden, vorausgesetzt, man kannte ihn überhaupt. »Erin.«
    »Aber?« Erin wusste, was jetzt kam. Die Frage wurde jedes Mal nach dem Schaukampf gestellt und stets von einer der Frauen.
    »Sie sind offenbar sehr gut im Training. Was haben Sie für Kenntnisse? Den schwarzen Gürtel im Taekwondo?«
    »Erin hat mehrere schwarze Gürtel«, sagte Bill. »Was genau willst du wissen?«
    »Na ja, was passiert, wenn sie auf einen körperlich weit überlegenen Gegner wie Cassidy trifft und der genauso gut kämpfen kann wie sie?«
    Erin kam Bill mit der Antwort zuvor. »Es spielt keine Rolle, wie gut du bist. Es gibt immer einen, der besser ist.« Sie warf einen Seitenblick zu Bill, sah ihn zustimmend nicken und fuhr fort. Beide wussten, dass es immer die Frauen waren, die auf dieser Antwort beharrten, und sie wollten diese Antwort von Erin hören. »Und in unserem Job triffst du früher oder später zwangsläufig auf einen, der besser ist als du. Ob er nun deine Größe hat oder nicht.« Sie warf einen Blick auf den Hünen, den sie eben auf die Matte geworfen hatte.
    »Und was tun Sie dann? Auf das Beste hoffen?«
    »Dann kommt es auf den Mut und den Willen zum Überleben an. Sie müssen so hart und so oft wie möglich trainieren, um das nötige Geschick zu erwerben.« Erin hielt inne und musterte ihre Zuhörer. Sie fragte sich, wie viele von ihnen verstanden, wovon die Rede war. Es waren junge, mutige Menschen – die Besten in ihrem jeweiligen Fach, sonst wären sie nicht hier. Die Rekrutierungsrichtlinien der CIA waren
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher