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Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle
Autoren: Bianka Minte-König
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beide dachten wohl in diesem Moment dasselbe. Auf welcher einsamen Wacht mochte Amadeus jetzt für das verdammte Vaterland stehen, statt bei uns zu sein und den Frieden auf Erden zu feiern?
    »Er kommt zurück«, sagte Friedrich leise. »Er kommt ganz bestimmt zurück. Ich fühle es, dass er lebt.«
    Noch in der Nacht nahm der Wind auf Orkanstärke zu und tobte sich mit Hagel und Regen über Brandenburg aus. Das Dach der Scheune wurde abgedeckt und die gesamte restliche Heuernte wurde in alle Winde verweht.
    Auch am ersten Weihnachtstag hielt der Sturm unvermindert an und nicht einmal Mathias oder Hansmann konnten vor die Tür gehen, ohne Gefahr zu laufen, von umherfliegenden Ästen und Dachpfannen erschlagen zu werden.
    Als die Männer dann am nächsten Tag bei nachlassendem Wind die Schäden begutachten wollten, fiel Hansmann ein fast entwurzelter Baum ins Kreuz und warf ihn für längere Zeit auf das Krankenlager. Mathias, seit dem Schuss von Utz nur begrenzt zu körperlicher Arbeit fähig, konnte die Schäden nicht alleine beseitigen und die Leuteaus dem Dorf hatten mit ihren eigenen Häusern, Gärten und Äckern zu tun. Erst im neuen Jahr brachte Käthe zwei junge, starke Männer, die das Dach des Hauses notdürftig flickten. Die Scheune aber mussten wir zunächst einmal verloren geben.
    Ein Drittel der Kiefern in unserem Forst war vom Sturm geknickt worden wie dünne Streichhölzer, sodass dieser Bestand nur noch als Feuerholz taugte.
    »Na, wenigstens warm haben wir es ja dann«, sagte ich sarkastisch zu Friedrich. »Wird ein gemütlicher Hungertod.«
    Da der Januar ähnlich nasskalt war, der Februar gar eine Kältewelle von Temperaturen bis minus zwanzig Grad und Schnee brachte, waren wir dann doch froh, das Holz zu haben. Es war zwar eigentlich zu frisch zum Verfeuern und brannte auch nur unter großer Qualmentwicklung, weshalb es im Hause bald wie in einer Räucherkammer stank, aber wenigstens überlebten wir die Eiseskälte.
    Die Tiere, die wir noch hatten, wanderten allerdings nach und nach sämtlich in den Kochtopf von Käthe und Gertrud, was die Kinder völlig verstörte und oftmals das Essen verweigern ließ. Amanda war ohnehin keine starke Esserin, und als ihr Lieblingskaninchen als feines Ragout auf den Tisch kam, sprang sie auf, bekam einen ihrer, wie Hansmann es nannte, »hysterischen Anfälle« und schloss sich zwei Tage in ihrem Zimmer ein.
    »Amanda, komm heraus«, bat ich sie. »Du musst ja nichts davon essen, ich tue es auch nicht. Aber Gertruds Familie braucht mehr Essen als wir, und wir können nicht erlauben, dass ein Kaninchen lebt, sie und Friedrich jedoch Hunger leiden. Der Winter ist so hart für alle, da kann sich niemand eine solche Tierliebe, wie du sie hast, erlauben.An der Front essen sie sogar Pferde, hat der Großvater berichtet.«
    Das hätte ich besser für mich behalten, denn sie stieß, weil sie um ihr Lieblingspferd fürchtete, hoch erregt kurz die Tür auf und schrie: »Willst du sagen, sie würden auch Baldur essen, wenn nichts anderes mehr da ist?« Und hin- und hergerissen zwischen Trauer und Zorn fügte sie weinend hinzu: »Ich hasse alle Menschen! Warum müssen sie Tiere essen, reichen ihnen denn nicht Brot und Kartoffeln und Gemüse und Obst?«
    Ich schüttelte den Kopf und zu gerne hätte ich ihr erklärt, dass es keinen großen Unterschied machte, ob die Menschen sich Tiere zum Essen einverleibten oder wir uns frisches Blut.
    Aber dazu war es noch zu früh. Ich war mir noch nicht sicher, ob Amandas gelegentliche Ausfälle wirklich ein Zeichen dafür waren, dass sie genau wie ich ein Vampir werden würde, weshalb ich auch unser diesbezügliches Gespräch bisher noch aufgeschoben hatte. So nahm ich sie auch jetzt nur kurz in den Arm, streichelte ihr sanft über den Rücken und sagte vage: »Jedes Lebewesen ernährt sich auf seine Weise. Man kann es ihm nicht vorwerfen. Lass uns ein wenig Toleranz üben gegen Hansmanns Familie. Sie helfen uns so sehr hier auf dem Gut, da schulden wir ihnen eine gewisse Dankbarkeit.«
    Amanda wand sich aus meinen Armen.
    »Ich will nicht, dass sie hier sind und mein Pferd essen. Außerdem … Wilhelm … er belästigt mich, und wenn ich ihn ansehe, macht er mich durstig. Er ist mir unheimlich.«
    Das konnte ich verstehen, und da es auch mir unheimlich war, bat ich Amanda, sich nicht mehr mit Wilhelmalleine irgendwo aufzuhalten. Und weil ich ihr hier zwischen Tür und Angel nicht sagen konnte, dass ich einen vampirischen Trieb in ihr
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