Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die dritte Sünde (German Edition)

Die dritte Sünde (German Edition)

Titel: Die dritte Sünde (German Edition)
Autoren: Eva-Ruth Landys
Vom Netzwerk:
Miss de Burgh! Wie kannst du es wagen? Zieh das sofort aus!«
    Cathy, starr vor Angst und Schmerz, begann hilflos am Kragen des blauen Kleides zu nesteln. Aber sie konnte doch nicht nackt durch Whitefell laufen! Dann würden sie ja alle Diener sehen! Die verzweifelte Panik in den Augen des Kindes brachte die zornbebende Frau wieder etwas zur Besinnung.
    »Du hast doch sicher Kleider angehabt, als du herkamst. Wo sind sie?«, zischte sie und unterstrich ihre Frage mit einem weiteren schmerzhaft kräftigen Ruck an Cathys Haaren.
    »Waschküche«, wisperte Cathy kaum hörbar.
    »Was? Antworte gefälligst so, dass man dich verstehen kann.«
    »Waschküche«, versuchte es Cathy noch einmal etwas lauter. Diesmal war sie offenbar verstanden worden.
    »Dann mach, dass du dorthin kommst, zieh das Kleid aus und verschwinde augenblicklich von hier! Du kannst froh sein, wenn Mr de Burgh euch nicht entlässt. Wir werden sehen.« Mit dieser Drohung bugsierte Miss Hunter das Mädchen mit mehreren Knüffen ihrer knochigen Fäuste zum Treppenabsatz und warf sie fast hinunter. Cathy beeilte sich, dem Zorngericht zu entfliehen.
    Bebend und verstört fand sie schließlich den Weg zurück zur Waschküche im Nebenflügel, die nur noch durch das trübe, von sanften Regenschleiern verdeckte Mondlicht erhellt wurde. An der Küche, in dem sich eine beträchtliche Anzahl des Gesindes zur späten Abendmahlzeit nach getaner Arbeit aufhielt, hatte sie sich vorsichtig und ungesehen vorbeigeschlichen. Mit fliegenden Fingern wand sie sich aus dem viel zu großen Kleid Isobel de Burghs und zog sich wieder ihren immer noch feuchten Kittel über, der eiskalt und klamm über den Rand des Waschzubers gebreitet lag. Es kümmerte sie nicht. Nur weg von hier! Sie öffnete die Tür zum Gerätehof und rannte hinaus in die regenkalte Nacht.

Kapitel 3

    Ihre nackten Füße rutschten auf der von der Nässe aufgeweichten, schlammigen Erde des Feldweges, der zu ihrer Behausung führte. Der Regen hatte noch zugenommen und durchnässte sie bis auf die Knochen. Dazu kam ein unangenehm kalter Wind, der an ihren triefenden Fetzen zerrte. Aber all das spürte Cathy kaum. Ihr Herz pochte von der Anstrengung des schnellen Laufs, aber mehr noch von der beißenden Angst, die sie erfasst hatte. Ach, wenn sie doch nicht mit ins Herrenhaus gegangen wäre! Was, wenn die Drohung der Gouvernante wahr werden sollte und ihr Vater entlassen werden würde? Wo sollten sie dann nur hin? Was würde aus ihnen werden? Und vor allem, wie sollte sie das ihrem Vater begreiflich machen? Sie konnte doch nichts dafür! Wie hätte sie sich Isobel de Burgh widersetzen sollen? Doch da meldete sich eine andere schuldbewusste Stimme in ihrem Kopf. Warum nur war sie von der Arbeit weggelaufen? Hätte sie ihre Pflicht getan, wäre das alles nie passiert! Das war nun die Strafe für ihren Eigensinn! Schauer der Furcht durchrannen sie. Vielleicht hatte Miss Hunter sogar recht damit gehabt, als sie sie mit einem Höchstmaß an Verachtung als »Kreatur« bezeichnet hatte.
    Cathy musste nun ein Waldstück passieren, durch das der Weg nach Hause führte. Der Pfad ging ein kurzes Stück steil bergan. Rechter Hand, in Richtung der Felder, war der Wald sogar mit einigen Felswänden durchzogen, wo sie schon mit Mary und Billie herumgeklettert war in der wenigen freien Zeit, die sie erübrigen konnte. Jetzt drohten die nackten Felsen in der Dunkelheit wie geifernde schwarze Münder. Cathy erschauerte einmal mehr und beschleunigte ihren Schritt. Wenn sie sich beeilte, konnte sie es bald geschafft haben. Und wenn der Vater sie dann schlagen würde, hätte sie es auch verdient.
    Einige Zeit später erreichte sie endlich das kleine Anwesen, das man ihnen als Unterkunft zugewiesen hatte. Die Wohnkate war aus schiefergrauen Feldsteinen und Holz erbaut und bestand im Wesentlichen aus einem größeren Wohnraum mit einem Steinkamin, der gleichzeitig als Kochstelle diente und einer kleinen abgeteilten Kammer, in der der Vater schlief. Um das Haus herum gruppierten sich in dem von einem niedrigen und zusätzlich mit Dornenhecken bewachsenen Erdwall umgebenen Rund ein paar windschiefe Schuppen, in denen das Vieh – es waren genau vier Schafe, zwei Ziegen für die Milch, ein Schwein und zwölf weiße Hühner – untergebracht war, in einem größeren die Geräte, die der Vater zusammen mit seinen beiden Mitarbeitern benutzte, um die Felder, die zur Versorgung des Herrenhauses benötigt wurden, zu bewirtschaften.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher