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Die dritte Sünde (German Edition)

Die dritte Sünde (German Edition)

Titel: Die dritte Sünde (German Edition)
Autoren: Eva-Ruth Landys
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Selbstverständlich wurde dabei auch die Mitarbeit der Familienangehörigen der Feldarbeiter erwartet, sonst wäre die Arbeit nicht zu schaffen gewesen. Der Überschuss der Ernte wurde in geringem Anteil unter den Arbeitern verteilt, der größere Anteil aber auf dem Markt in Salisbury feilgeboten. Der Erlös wurde natürlich Mrs Branagh ausgehändigt. Insgesamt hatten sie großes Glück gehabt mit der Anstellung des Vaters auf Whitefell. Und das sollte nun alles wegen ihres dummen Eigensinns gefährdet sein? Cathy schluckte die Panik, die sie erneut überrollte, tapfer hinunter. Sie musste sich den berechtigten Vorwürfen des Vaters stellen und ihm auch beichten, was vorgefallen war.
    Als sie das Torgatter öffnete, bemerkte sie, dass die Tür zum Wohnhaus weit offen stand. Der Raum war hell erleuchtet und erregte Stimmen drangen heraus. Was war da nur los? Man hatte hoffentlich nicht nach ihr gesucht. Mit klopfendem Herzen trat sie ein. Die beiden Feldknechte Marcus und Jamie sowie der Wildhüter von Whitefell, Mr Finley, standen mit nassen Kleidern und verschlammten Stiefeln in der Stube. Der Wildhüter redete gerade beruhigend auf den Vater ein, der an der einfachen Bettstatt der Kinder saß, in der diese für gewöhnlich alle zusammen schliefen. Mary kauerte verschüchtert in einer Ecke des Raumes und betrachtete die Szenerie mit großen Augen.
    Wo war Billie? Ein schrecklicher Verdacht keimte in Cathy auf. War mit Billie etwas geschehen, während sie im Herrenhaus gewesen war? Die Befürchtung wurde zur grausamen Gewissheit. Der Vater, der das Geräusch ihrer Füße auf dem Boden gehört hatte, richtete sich auf und gab damit den Blick auf Billie frei, dessen kleiner Körper reglos auf dem Bett lag. Über Billies bleiche Stirn zog sich ein dünnes Rinnsal von getrocknetem Blut und der rechte Arm war unterhalb der Schulter in einem unnatürlich verdrehten Winkel abgespreizt. Er musste gefallen sein. Cathys Mund öffnete sich von allein und ein ersticktesWimmern kam heraus, ohne dass sie es zurückhalten konnte.
    Da kam der Vater drohend auf sie zu. So hatte sie ihn noch nie gesehen. Seine Augen waren fremd und dunkel vor Zorn und sein Gesicht wutverzerrt. »Wo warst du?«, keuchte er mit einer Stimme, die kurz davor stand, sich in einem gewaltigen Gebrüll Luft zu verschaffen. Cathy bemühte sich um eine Antwort, aber nichts kam heraus. Ihr Mund klappte hilflos auf und zu, kämpfte mit den Worten, aber ihre Stimme wollte ihr einfach nicht gehorchen. Da packte der Vater sie grob am Arm und zerrte sie auf den Hof hinaus. Dann schleuderte er sie auf den aufgeweichten Boden, sodass sie erneut über und über mit Schlamm bedeckt war. Starr vor Entsetzen sah Cathy, wie er den Ledergurt mit der großen Messingschnalle von seinem Hosenbund löste und ausholte. Der erste Schlag traf sie mit ungehinderter Wucht an der Hüfte. Die scharfkantige Schnalle hinterließ eine Kerbe in der Haut des Kindes, die sich bald mit Blut füllte, doch schon gingen weitere Hiebe auf das im Dreck kauernde Wesen nieder. Die Schreie des Mädchens wurden übertönt von der sich überschlagenden, zornbebenden Stimme des Vaters. »Wie konntest du Billie allein lassen? Du bist schuld! Nichtswürdige Kreatur!«
    Wieder dieses Wort! Es war das Einzige, was der von den zahllosen Treffern der Schnalle halb betäubten Cathy noch bewusst wurde. Irgendwann spürte sie, wie sich ihr Verstand von ihrem Körper löste. Eine dumpfe Stille umfing sie in all dem Geschrei und den Schmerzen, die wie Wogen über sie hereinbrachen.
    »Hör auf, Wycliff! Du schlägst das arme Ding ja tot!« John Finley war dem erbosten Feldpfleger in den Arm gefallen und hinderte den außer sich geratenen, verzweifelten Mann daran, seiner Tochter den Garaus zu machen. Der brach weinend neben dem Mädchen, das nahezu bewusstlos mit dem Gesicht nach unten im Schlamm lag, zusammen. »Geh wieder hinein und kümmere dich um deinen Jungen! Ich werde die Sauerei hier in Ordnung bringen«, sagte der Wildhüter bestimmt. Es war nicht das erste Mal, dass er Männer erlebte, die die Fassung verloren. Seine ruhige Stimme tat schließlich ihre Wirkung. Wycliff Thomson, der Feldpfleger von Whitefell, erhob sich und schwankte zurück ins Haus zu seinem schwer verletzten Jungen. Finley sah dem Mann nach, bis dieser im Haus verschwunden war, dann kniete er sich hin, schob sanft den Arm unter das immer noch reglose und benommene Wesen und richtete es auf. Das Mädchen weinte nicht, sondern starrte
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