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Die dritte Sünde (German Edition)

Die dritte Sünde (German Edition)

Titel: Die dritte Sünde (German Edition)
Autoren: Eva-Ruth Landys
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was sollte man machen, außer es zu akzeptieren, wie es war? Mit einem unwilligen Schnauben rückte er die braune Lederkappe auf dem mächtigen Kopf mit den früh ergrauten drahtigen Locken zurecht, zog die Schultern nach oben, raffte seine Joppe gegen den Regen zusammen und machte sich auf den Weg ins drei Meilen entfernte Dorf.

Kapitel 4

    Martha Pole erhob sich schimpfend von der Ofenbank, auf der sie sich noch ein Nickerchen gegönnt hatte nach dem Abendessen. Sie hätte es sich ja denken können, dass ausgerechnet in dieser windigen und inzwischen sehr regnerischen Nacht noch jemand etwas von ihr wollte. Doch eine Geburt konnte es nicht sein. Sie wusste genau, dass die vier schwangeren Frauen in der Umgebung noch nicht so weit waren, besuchte sie diese doch regelmäßig. Das sah sie als ihre Pflicht an. Zu viele Frauen erlagen den Strapazen der Geburt, und wenn es eine Chance gab, das eine oder andere Problem wie Überlastung und schlechte Ernährung schon im Vorfeld zu beheben, dann wollte sie diese nutzen. Aber wahrscheinlich lag jemand im Fieber oder hatte Bauchkrämpfe oder ähnliches. Dann wurden die Menschen schnell ängstlich und baten bei ihr um Hilfe.
    Auf das zweite kräftige Pochen hin öffnete sie die niedrige Holztür und entdeckte zu ihrem größten Erstaunen John Finley, den Wildhüter von Whitefell, auf ihrer Eingangsschwelle. Er war nass wie ein streunender Köter und machte einen ebenso jämmerlichen Eindruck.
    »John? Was führt dich denn noch hierher? Ist bei euch jemand krank? Doch nicht wieder deine Ellie, die hatte sich von ihrem schlimmen Husten im Winter doch gut erholt, meine ich?«
    John Finley nieste kräftig, bevor er antwortete. »Nein, ich komme nicht um meinetwillen. Es hat einen Unfall gegeben auf Whitefell. Der kleine Sohn des neuen Feldpflegers Wycliff Thomson. Du kennst ihn bestimmt. Thomson kommt mit seinen Kindern in den Gottesdienst hier ins Dorf.« Martha nickte, zog den durchnässten Mann in ihrer praktischen Art in den einzigen Wohnraum ihrer Behausung und verfrachtete ihn auf die Ofenbank. Noch bevor er weiter berichten konnte, hatte er schon einen Becher mit Kräutertee, den sie rasch zubereitet hatte, in der Hand. Es war wichtig, dass der Mann nicht krank wurde. Wer sollte sonst seine Familie ernähren?
    »Der Vater von dem kleinen Rotschopf?« Martha musste ihr hervorragendes Gedächtnis nicht allzu lange um ein genaues Bild der kleinen Familie bemühen. Selbstverständlich war ihr das neue Gemeindemitglied sofort aufgefallen. Ein von der Arbeit und vielleicht auch anderen Lasten schon frühzeitig gealterter Mann mit drei Kindern: Ein Mädchen von etwa zwölf Jahren und apartem Äußeren. Das Mädchen ahnte es selbst wohl nicht, aber in ihm schlummerte eine wilde Schönheit, die sich jetzt noch in seiner mageren Statur verbarg. Ein weiteres Mädchen von wohl acht oder neun Jahren, das alles und jeden mit großen dunklen und auch misstrauischen Augen begutachtete und ein ungezogener kleiner Bursche mit einem roten Wuschelkopf, dem das älteste Mädchen, was ihm offensichtlich nur unzureichend gelang, die Mutter zu ersetzen hatte. »Was ist passiert? Berichte es mir genau, damit ich weiß, was ich mitnehmen muss, und dann hilfst du mir, meine alte Bertha einzuspannen. Du kannst dann mit mir auf meiner Kutsche zurückfahren.«
    Diese Kutsche war ein – wenn auch nicht ganz uneigennütziges – Geschenk der dankbaren Dorfgemeinschaft gewesen für ihre Dienste und Martha Pole war bis heute mächtig stolz darauf. Welche alleinstehende, einfache Frau konnte schon eine richtige, wenn auch schlichte Kutsche ihr Eigen nennen? Alle hatten dazu beigetragen: Der Wagenbauer hatte ein altes, ausrangiertes Kutschenmodell mit einer Ladepritsche, das vorher der Kolonialwarenhändler in Wilton genutzt hatte, wieder repariert und ausgebessert, die Bauern der Umgebung hatten unter Anleitung des vorigen Pfarrers (der neue war ein eitler und bigotter Narr, den sie nicht ausstehen konnte) zusammengelegt, damit ein kräftiges braves Kutschpferd erstanden werden konnte, und der Schmied, der ihr besonderen Dank zu schulden glaubte, da sie seiner Frau bei der äußerst schwierigen Zwillingsgeburt vor zwölf Jahren hilfreich zur Seite gestanden hatte, beschlug dieses regelmäßig. So war sie in der Lage, recht schnell zu den Kranken zu gelangen. Bezahlt wurde sie mit Naturalien, Gefälligkeiten und manchmal auch mit etwas Geld. Bisweilen verzichtete sie auch auf eine Entlohnung, wenn der
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