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Die dritte Sünde (German Edition)

Die dritte Sünde (German Edition)

Titel: Die dritte Sünde (German Edition)
Autoren: Eva-Ruth Landys
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vergessen.
    Unterwegs begegneten ihnen Diener, die eilig, aber mit der notwendigen Gemessenheit, ihren jeweiligen Aufgaben nachgingen. Cathy spürte manchen erstaunten Blick auf ihrer schmächtigen Gestalt ruhen und zog sich noch mehr in sich zurück, aber niemand richtete ein Wort an sie. Es fühlte sich seltsam und unwirklich an, fast wie in einem Traum. Dann hatten sie die oberste Etage des Haupthauses erreicht.
    »Hier«, sagte Isobel plötzlich. Ihre helle Stimme durchbrach schrill und ein wenig zu laut die eigenartig samtene Stille und zerriss den Zauber, der sich über Cathys Gemüt gelegt hatte, »hier sind meine Räume. Komm, ich zeige dir meine Spielsachen!« In diesem Augenblick wurde auf der anderen Seite des langen Flures eine der Türen energisch aufgerissen. Eine altjüngferliche Person mit ergrautem und zum strengen Knoten hochgebundenem Haar, dessen verbliebene Dürftigkeit nur unzureichend mit einem kostbaren Spitzenhäubchen kaschiert wurde, trat mit kaum beherrschtem Zorn auf den Gang hinaus. »Miss de Burgh, ich habe Sie bereits gesucht! Wo haben Sie sich während der letzten drei Stunden aufgehalten? Offensichtlich nicht über Ihren Büchern, wie ich es angewiesen hatte. Und wer ist dieses jämmerliche Geschöpf da an Ihrer Seite? Sollte es etwa, was ich nicht zu glauben wage, aber leider befürchten muss, tatsächlich um ein Kind der Landarbeiter handeln?«
    »Und wenn schon!« Isobels Augen blitzten herausfordernd. Cathy hatte den deutlichen Eindruck, dass Isobel den Konflikt keineswegs fürchtete, sondern geradezu erfreut den Fehdehandschuh aufnahm, der ihr von Miss Hunter, denn um sie musste es sich wohl handeln, hingeworfen worden war. Es war ihr mehr als unangenehm, dass sie der Gegenstand der Auseinandersetzung war. Vermutlich würde das schlecht für sie ausgehen. Ach, wäre sie doch heute nur auf dem Feld geblieben bei ihrer Arbeit!
    »Es hat mir gefallen, sie zu mir einzuladen. Und das ist ganz allein meine Sache!« Isobel reckte angriffslustig das Kinn. Miss Hunter kam drohend näher. »Das ist es definitiv nicht , Miss de Burgh! Ihr Vater hat mir ausdrücklich die Aufgabe übertragen, Ihren Umgang zu überwachen und zu regeln. Wie können Sie es wagen, sich mit einer solchen Kreatur …?« Miss Hunter sah sich wohl außerstande, den Satz zu vollenden. Zu groß war ihre Empörung. Ein angewiderter Blick aus stechenden Augen streifte Cathy, die augenblicklich zu Boden sah. Als »Kreatur« bezeichnet zu werden, traf sie mehr, als sie sich einzugestehen wagte. Sie kannte das Wort aus den Predigten von Pfarrer Browning, der diese Vokabel gern, aber nur in Verbindung mit den Begriffen »Schlangen und Otterngezücht« verwendete. Offenbar meinte Miss Hunter, sie sei ein weiteres Beispiel der verabscheuungswürdigen Wesen, die laut Pfarrer Browning direkt der Hölle zu entsteigen pflegten. Am liebsten wäre sie im Boden versunken.
    Gegen die auf ihre Rechte pochende Gouvernante kam Isobel indes nicht an. Wütend entblößte sie ihre perlweißen Zähne. »Das werden wir noch sehen, Miss Hunter! Ich werde sogleich mit meinem Vater sprechen.«
    »Ihr Vater ist heute nicht im Hause, Miss de Burgh. Wären Sie Ihren Pflichten nachgekommen, wie ich es von Ihnen verlangt habe, hätte ich Sie davon in Kenntnis gesetzt, dass Mr de Burgh heute Abend einen Termin in Salisbury wahrnimmt und die Nacht im Hause eines Freundes zu verbringen gedenkt. So werden Sie sich wohl fügen müssen! Gehen Sie jetzt auf Ihr Zimmer, Miss de Burgh!« Die letzten Worte hatte Miss Hunter mit einer so drohenden Betonung versehen, dass Cathy fürchtete, es müsse gleich zu Handgreiflichkeiten kommen, aber nichts dergleichen geschah. Die beiden Kontrahentinnen maßen sich noch einige zerdehnte Sekunden lang mit eisigem Blick, dann aber senkte Isobel die Lider, öffnete wortlos die Tür zu ihren Räumen und ließ Cathy mit der wutentbrannten Frau allein auf dem Flur zurück.
    Cathy erschauerte. Was würde als Nächstes passieren? Sie konnte es sich kaum ausmalen. Doch das war auch gar nicht notwendig. Kaum hatte sich die Tür hinter Isobel geschlossen, griff Miss Hunter mit einer erstaunlichen Kraft nach Cathys Haaren und zerrte rücksichtslos daran. Cathy schoss umgehend Wasser in die Augen.
    »Und du …, du …«, schnaubte die erboste Gouvernante, »sollte ich dich hier noch einmal sehen, werde ich dafür sorgen, dass du und deine verrottete Brut vom Gut verschwinden! Was hast du überhaupt an? Das ist doch ein Kleid von
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