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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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meinem Bett, ich sah ihn zu meinen Häupten und zu meinen Füßen, ich sah ihn rings um mich, wie er lachte und Grimassen schnitt, wie er mir tausend Bilder der Unzucht vor die Augen stellte und mir tausend böse Begierden im Herzen weckte. Als aber hierauf Unser gnädiger Herr, der Erzbischof, in seiner Barmherzigkeit mir die Reliquien des heiligen Gatian schickte, da hatte kaum der heilige Schrein mein Bett berührt, als plötzlich der genannte Sukkubus die Flucht ergriff, indem er einen Gestank von Schwefel und andern höllischen Düften hinter sich zurückließ, daß meine Diener, meine Freunde und alle, die anwesend waren, den ganzen Tag nicht aus dem Niesen herauskamen.
    Da fiel ein Strahl himmlischen Lichts in meine Seele, und ich sah, daß ich infolge meiner Sünden und der schweren Kämpfe mit dem höllischen Geist dem Tode nahe war; ich flehte aber zu Gott um die besondere Gnade, mir um der Verdienste Jesu Christi willen, der den Tod des Kreuzes erlitten zum Heil aller Christen, noch eine kurze Spanne Zeit das Leben zu schenken, um zu seiner Ehre und zum Ruhm der Kirche Genugtuung leisten zu können für meine schrecklichen Verbrechen. Durch dieses Gebet erhielt ich die Gunst, noch einmal so weit zu Kräften zu kommen, um mich meiner Sünden anzuklagen und den Beistand aller Mitglieder unseres Münsters zu St-Maurice anzuflehen, daß sie mir mit ihren Bitten und guten Werken zu Hilfe kommen in der Not des Fegfeuers, wo entsetzliche Qualen meiner warten.
    Zum letzten Ende habe ich noch die Erklärung abzugeben: daß mein richterlicher Beschluß, wonach, auf dessen Berufung, der genannte Sukkubus durch ein Gottesurteil, id est durch die doppelte Probe des Feuers und des Wassers, seine Unschuld darzutun ermächtigt und aufgefordert wird, auf einer höllischen List des Dämons beruhte, der auf diese Weise der Strafgewalt des geistlichen Gerichts und Unsres hochwürdigen Kapitels zu entrinnen trachtete, weil er, wie er mir heimlich gestanden hat, an seiner Statt einen andern Dämon in die Probe zu schicken die Macht hatte, als welcher seit langer Zeit in diesen Übungen abgehärtet ist.
    Um nun zum Schluß zu kommen, gebe und vermache ich dem Kapitel unsres Münsters zu St-Maurice all meine Habe und Besitztümer jeglicher Art zu dem Zweck, in dem genannten Münster eine Kapelle zu bauen, auszuschmücken und unter die Anrufung des heiligen Hieronymus und des heiligen Gatian zu stellen, deren einer mein Patron, wie der andre der Retter meiner Seele ist.«
    Nachdem dies von den Anwesenden gehört worden, hat Herr Jan van dem Haag (Johannes de Haga) die also niedergeschriebene Beichte dem erzbischöflichen Gericht unterbreitet.
    Erwählt von der Versammlung des Kapitels zu St-Maurice, nach Brauch und Herkommen dieser Kirche, zum obersten Pönitentiarius und Strafrichter in geistlichen Angelegenheiten und betraut mit der Wiederaufnahme und Fortführung des Prozesses gegen einen bösen Dämon von der Art der Sukkubi, gegenwärtig in den Gefängnissen des Kapitels, haben Wir, Jan van dem Haag (Johannes de Haga), befohlen und angeordnet:
    Daß eine neue Untersuchung in dieser Sache eingeleitet und alle Mitglieder der Diözese, als welche davon Kenntnis erhalten, von neuem vorgeladen und vernommen werden sollen. Und erklären Wir für null und nichtig alle andern Prozeduren, Verhöre und Beschlüsse und verdammen sie aus Auftrag und Machtvollkommenheit des versammelten Kapitels unsrer Kirche. Nicht stattgegeben werden soll vor allem der heuchlerischen Berufung des Dämons auf ein Gottesgericht in Anbetracht der Hinterlist und Tücke dieses Teufels, die dabei zu befürchten wären. Und soll dieses Verdikt unter dem Schall der Trompete öffentlich ausgerufen werden überall und an allen Orten der Diözese, wo vorher die falschen Edikte Unsres Vorgängers ausgerufen worden sind, die einzig und allein durch Verführung und Einflüsterung des Dämons zustande gebracht wurden, wie es der verstorbene Hieronymus Cornill selber eingestanden hat.
    Mögen alle guten Christen unsrer heiligen Kirche und deren Ordnungen und Geboten ihren Beistand leihen.
    Jan van dem Haag.

     

IV. Von der waghalsigen Flucht der Mohrin aus der Rue Chaude und wie sie nur mit großer Mühe verbrannt und lebendigen Leibes gebraten wurde

     
    (Das folgende wurde im Mai des Jahres dreizehnhundertsechzig in Form eines Testamentes niedergeschrieben)
    Mein teurer und vielgeliebter Sohn! Wenn du dereinst dieses lesen wirst, so werde ich, dein Vater, nicht
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