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Die drei Schmiede ihres Schicksals

Die drei Schmiede ihres Schicksals

Titel: Die drei Schmiede ihres Schicksals
Autoren: Adalbert Stifter
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wurde immer weicher und weicher in mir, dann wurde ich wie trunken, dann war nichts mehr.
    Diese drei Inseln liegen wie feen- und sagenhafte in dem Schleiermeer der Vergangenheit, wie Urerinnerungen eines Volkes.
    Die folgenden Spitzen werden immer bestimmter, Klingen von Glocken, ein breiter Schein, eine rote Dämmerung.
    Ganz klar war etwas, das sich immer wiederholte. Eine Stimme, die zu mir sprach, Augen, die mich anschauten, und Arme, die alles milderten. Ich schrie nach diesen Dingen.
    Dann war Jammervolles, Unleidliches, dann Süßes, Stillendes. Ich erinnere mich an Strebungen, die nichts erreichten, und das Aufhören von Entsetzlichem und Zugrunderichtendem. Ich erinnere mich an Glanz und Farben, die in meinen Augen, an Töne, die in meinen Ohren und an Holdseligkeiten, die in meinem Wesen waren.
    Immer mehr fühlte ich die Augen, die mich anschauten, die Stimme die zu mir sprach, und die Arme, die alles milderten. Ich erinnere mich, dass ich das "Mam" nannte.
    Diese Arme fühlte ich mich einmal tragen. Es waren dunkle Flecken in mir. Die Erinnerung sagte mir später, daß es Wälder gewesen sind, die außerhalb mir waren. Dann war eine Empfindung, wie die erste meines Lebens, Glanz und Gewühl, dann war nichts mehr.
    Nach dieser Empfindung ist wieder eine große Lücke. Zustände, die gewesen sind, mußten vergessen worden sein.
    Hierauf erhob sich die Außenwelt vor mir, da bisher nur Empfindungen wahrgenommen worden waren. Selbst Mam, Augen, Stimme, Arme waren nur als Empfindungen in mir gewesen, sogar auch Wälder, wie ich eben gesagt habe. Merkwürdig ist es, dass in der allerersten Empfindung meines Lebens etwas Äußerliches war, und zwar etwas, das meist schwierig und erst spät in das Vorstellungsvermögen gelangt, etwas Räumliches, ein Unten. Dies ist ein Zeichen, wie gewaltig die Einwirkung gewesen sein muß, die jene Empfindung hervorgebracht hat. Mam, was ich jetzt Mutter nannte, stand nun als Gestalt vor mir auf, und ich unterschied ihre Bewegungen, dann der Vater, der Großvater, die Großmutter, die Tante. Ich hieß sie mit diesen Namen, empfand Holdes von Ihnen, erinnere mich aber keines Unterschiedes ihrer Gestalten. Selbst andere Dinge mußte ich schon haben nennen können, ohne daß ich mich später einer Gestalt oder eines Unterschiedes erinnern konnte. Dies beweist eine Begebenheit, die in jene Zeit gefallen sein mußte. Ich fand mich einmal wieder in dem Entsetzlichen, Zugrunderichtendem, von dem ich oben gesagt habe. Dann war Klingen, Verwirrung, Schmerz in meiner Hand und Blut daran, die Mutter verband mich, und dann war ein Bild, das so klar vor mir jetzt dasteht, als wäre es in reinlichen Farben auf Porzellan gemalt. Ich stand in dem Garten, der von damals zuerst in meiner Einbildungskraft ist, die Mutter war da, dann die andere Großmutter, deren Gestalt in jenem Augenblicke auch zum ersten Male in mein Gedächtnis kam, in mir war die Erleichterung, die alle Male auf das Weichen des Entsetzlichen und Zugrunderichtenden folgte, und ich sagte: "Mutter, da wächst ein Kornhalm."
    Die Großmutter antwortete darauf: "Mit einem Knaben, der die Fenster zerschlagen hat, redet man nicht." Ich verstand zwar den Zusammenhang nicht, aber das Außerordentliche, das eben von mir gewichen war, kam sogleich wieder; die Mutter sprach wirklich kein Wort, und ich erinnere mich, daß ein ganz Ungeheures auf meiner Seele lag, das mag der Grund sein, daß jener Vorgang noch jetzt in meinem Inneren lebt. Ich sehe den hohen schlanken Kornhalm so deutlich, als ob er neben meinem Schreibtische stände; ich sehe die Gestalten der Mutter und Großmutter, wie sie in dem Garten herumarbeiteten, die Gewächse des Gartens sehe ich nur als unbestimmten grünen Schmelz vor mir; aber der Sonnenschein, der uns umgab, ist ganz klar da.
    Nach dieser Begebenheit ist abermals Dunkel.
    Dann aber zeichnet sich [deut]lich und bleibend die Stube ab, in der ich mich befand. Ganz vorzüglich sind es die großen dunkelbraunen Tragebalken der Diele, die vor meinen Augen sind und an denen allerlei Dinge hingen. Dann war der große, grüne Ofen, der hervorspringt, und um den eine Bank ist. Dann sagte die Mutter, der Zimmersepp wird uns einen Tisch machen, auf dem das Osterlämmlein ist. Der Tisch wurde fertig und bildete meine große Freude. Dessen, der früher gewesen war, erinnere ich mich nicht mehr. Der Tisch war genau viereckig, weiß und groß und hatte in der Mitte das rötliche Osterlämmlein mit einem Fähnchen, was
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