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Die drei Hellwang-Kinder

Die drei Hellwang-Kinder

Titel: Die drei Hellwang-Kinder
Autoren: Horst Biernath
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geführt hatte, und sagte: »Konrad, ich denke, wir können sehr froh sein, daß unsere Anzeige Fräulein Zögling ins Auge gefallen ist, nicht wahr?« — Hellwang fand ihre Ausdrucksweise merkwürdig geschraubt und verändert, denn für gewöhnlich sprach sie wie ein normaler Mensch. —
    »Ich meine«, fuhr die alte Dame fort, »daß wir die Erziehung und Betreuung unserer drei Kinder und die Leitung unseres Haushaltes vertrauensvoll in Fräulein Zöglings bewährte Hände legen dürfen, jawohl!«
    Und mit diesem halbmilitärischen >Jawohl< war die Frage auch schon entschieden, denn Hellwang war viel zu müde und apathisch, um nicht froh darüber zu sein, daß ihm solch schwierige Entscheidungen abgenommen wurden. Und außerdem ging es auch nicht recht an, in Fräulein Zöglings Gegenwart unentschlossen um eine Bedenkzeit zu bitten. Es hätte ausgesehen, als traue er ihren fabelhaften Zeugnissen nicht und als hielte er den verwitweten Grafen Mortimer Idell-Idell auf Schloß Buchhof für eine Fantasiegestalt.
    Es war gegen die Wahl von Fräulein Zögling auch wahrhaftig nichts Stichhaltiges einzuwenden. Oder sollte er etwa eingestehen, daß seine einzigen Bedenken darin bestanden, daß sie eine gebürtige Bremerin war? — In seinem ganzen Leben war er wissentlich noch nie zu einer Bremerin — oder sagte man Bremenserin? — in nähere Beziehungen getreten. Und ganz gewißlich waren Bremerinnen genauso treu oder flatterhaft, zuverlässig oder leichtfertig wie andere Frauen auch, die aus Mannheim, Würzburg, Hannover oder Breslau stammten. Aber es saß ein Stachel in seiner Haut. Seinem Onkel Heinrich Hellwang war seinerzeit die Frau durchgegangen, und dazu noch mit einem Finanzbeamten. Als das geschah, war Konrad ein Knabe von zwölf Jahren gewesen. Er entsann sich noch deutlich seiner Tante Melitta, ihrer rehbraunen großen Augen, der blitzenden, ein wenig vorstehenden Zähne, ihres eleganten Hutes mit dem zärtlich geheimnisvollen Halbschleier, unter dem die kleine Nasenspitze keck hervorlugte, und des Liedes, das Onkel Heinrich so sehr geliebt hatte, daß Tante Melitta es immer wieder — sich am Klavier selbst begleitend — mit ihrer wohlklingenden Stimme vortragen mußte: Hier hab ich so manches liehibe Mal mit meiheiner Laute gesessen...
    Tante Melitta, ha! auch ihren honigsüßen Namen fand man später lasterhaft, und von ihr selbst und was aus ihr geworden sein mochte, als der Finanzbeamte sie sitzen ließ, sprach man nur hinter der Hand. Und sie war eine gebürtige Bremerin gewesen!
    — Doch was hatte das mit Fräulein Zögling zu tun? — Hellwang versuchte, den Stachel abzuschütteln. Aber was hat mehr Widerhaken und sitzt tiefer im Fleisch als ein in Ehren ergrautes Vorurteil? —
    Die alte Dame rief die Kinder ins Wohnzimmer. Söhnchen erschien mit einer peinlichen Tropfnase, die die gute Omi rasch mit ihrem eigenen Taschentüchelchen abputzte, denn seines war wieder einmal spurlos verschwunden. »Sie sehen selbst, mein liebes Fräulein Zögling«, sagte sie entschuldigend, »wie not hier eine Frauenhand tut!«
    Fräulein Zögling legte Söhnchen ihre Frauenhand auf den strubbeligen Scheitel: »Wie heißt denn du, Bubi?« fragte sie einschmeichelnd.
    »Ich bin kein Bubi nicht!« antwortete der kleine Mann empört und flüchtete an Omis Schoß.
    »Wir nennen ihn Söhnchen«, legte sich die alte Dame ins Mittel, »aus leicht erklärlichen Gründen, nachdem meiner Tochter erst zwei Töchter geschenkt wurden. Der Kleine heißt Wolfgang...«
    »Genau wie der jüngste der gräflichen Söhne!« rief Fräulein Zögling freudig überrascht, »er wurde allerdings Wolf genannt. Der Graf liebte keine Zärtelnamen. Nun, dem gräflichen Hause waren allerdings auch drei Söhne beschert und deshalb wohl...« Sie verhedderte sich unter Hellwangs eigentümlichem Gesichtsausdruck, der entschuldigend vorzubringen schien, er zu seinem Teil habe getan, was in seinen Kräften stand — sie errötete und fuhr rasch fort: »Aber unser Wolferl war genau solch ein herziger Blondkopf wie du!«
    Der herzige Blondkopf stampfte mit dem Fuß auf und erklärte barsch, er fände Wolferl fad. Darauf murmelte Fräulein Zögling etwas von dem entzückenden Temperament des Kindes. Dann kam Lydia an die Reihe, Fräulein Zögling die Hand zu reichen. Zufällig war sie fast sauber. Sie knickste brav, sagte in einem Sprüchlein alles auf, wonach sie gefragt wurde, Namen, Alter und Schulklasse, lächelte Fräulein Zögling aus ihren
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