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Die drei Frauen von Westport

Titel: Die drei Frauen von Westport
Autoren: Cathleen Schine
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eine schmale Treppe zum Kellergeschoss eines heruntergekommenen Backsteingebäudes hinunterstiegen. »So was nannte man ›English Basement‹, als man es in New York erstmals gebaut hat, im neunzehnten Jahrhundert. Erinnert an Das Haus am Eaton Place, findest du nicht? Weißt du noch, als Annie sich diesen Schreiner aus den Kleinanzeigen in der Village Voice rausgesucht hatte? Hast du diese Frau auch da gefunden, Schatz? Annies Bücherregale waren dann jedenfalls eine Katastrophe.«
    Eine kleine stämmige Frau erschien in der Tür. Sie hatte dichte, unvorteilhaft geschnittene, grau durchwirkte Haare. Und sie trug plumpe Gesundheitstreter, wie Betty bemerkte.
    »Ist ja beeindruckend, dass es solche Schuhe noch gibt«, sagte sie zu der Frau. »Sind die wieder in Mode? Unser Zahnarzt trug solche in den Fünfzigerjahren.«
    Die Mediatorin lächelte nicht, hielt ihnen jedoch die Hand hin und stellte sich als Nina Britsky vor. Mit einem Matzengesicht geschlagen, dachte Betty bei sich und bedauerte die Frau ein wenig.
    Das Büro war klein und quoll fast über von vollgestopften Aktenordnern. Im Grunde genommen wirkte es eher wie ein mit Aktenordnern vollgestopfter Schrank. Die Mediatorin ließ sich auf einem komplizierten ergonomischen Stuhl nieder und platzierte ihre Füße auf einem Schaukelhocker. So viele Spezialgerätschaften, dachte Betty, und alles nur, um Joseph und mir beim Streiten zuzuhören.
    Nina Britsky klappte ihren Laptop auf und begann zu sprechen und zu schreiben.
    Betty bekam von dem R edeschwall nicht viel mit. Die krude Mischung aus esoterischen Plattitüden und Küchenpsychologie, vorgetragen in einem harschen Bronx-Akzent, veranlasste Betty dazu, sich dezent aufTagträume zu verlegen. Außerdem sah Nina Britsky, wie sie so auf ihrem ergonomischen Bürostuhl kauerte, einem Schimpansen verdächtig ähnlich: die zottlige Haarkappe, die nachdenklich vorgestülpten Lippen, die großen Zähne, die gelegentlich entblößt wurden. Betty kam sich vor wie in einer dunklen Schimpansenhöhle, obwohl ihr dann auffiel, dass Schimpansen nicht in Höhlen, sondern auf Bäumen lebten. Aber in diesem Büro war es beinahe so dunkel wie in einer Höhle. Vielleicht gab es Lichtkonzepte zur Scheidungsmediation, etwa dergestalt, dass die Partner sich leichter trennen würden, wenn sie sich nicht mehr sehen konnten. Aber vermutlich versuchte die Frau bloß, ihre Stromrechnung niedrig zu halten, und das konnte man ihr schließlich nicht übel nehmen. Betty selbst hatte auch gerade mit der Umstellung auf die neuen Energiesparlampen begonnen. Sie flimmerten so hübsch, wie in alten Zeiten …
    »Zum Glück geht es bei Ihnen nicht um ein Sorgerecht«, äußerte die Frau und bearbeitete mit wichtiger Miene dieTastatur ihres Laptops. »In solchen Fällen kann es sehr unangenehm werden.«
    »In solchen Fällen?«, sagte Betty. »Doch wohl eher in allen Fällen, würde ich denken.«
    »Na ja, bei gleichgeschlechtlichen Paaren ist es besonders schlimm.«
    »Joseph und ich sind aber nicht gleichgeschlechtlich«, erklärte Betty geduldig.
    Joseph schien diese Bemerkung unangenehm zu sein.
    »Oder doch, Joseph?«
    »Ich meine damit die dritte Person«, sagte Nina Britsky.
    »Es gibt keine dritte Person«, äußerte Joseph hastig.
    »Und falls doch, glaube ich kaum, dass es sich um einen Mann handeln würde«, sagte Betty.
    »Nun, ich war davon ausgegangen, dass es sich um eine Frau handelt«, erwiderte Nina Britsky und warf Betty einen bedeutsamen Blick zu. »Eine sexuell gleichgeschlechtlich veranlagte Frau«, fügte sie dann hinzu, was Betty endgültig inVerwirrung stürzte. »Warum würden Sie sonst zu mir kommen?«
    Erst nachdem sie Flyer ausgehändigt bekommen hatten, auf denen sie zu einer Selbsthilfegruppe für Eheleute eingeladen wurden, deren Partner plötzlich ihre Homosexualität entdeckten, und ziemlich benommen Nina Britskys Büro verlassen hatten, fragte Betty Joseph, wer ihm denn nun wirklich die ergonomische Schimpansin empfohlen hatte.
    »Denn, mein lieber Joseph, sie scheint mir eine ziemlich spezialisierte Mediatorin zu sein.«
    »Das war eine Katastrophe. Lass uns was essen gehen«, sagte Joseph.
    »Hier, schau dir mal ihre Visitenkarte an: Für Paare, die sich scheiden lassen, wenn Frauen sich Frauen zuwenden . Könnte schon eine Kleinanzeige in der Village Voice sein, oder? Vielleicht könnte sie uns ein schiefes Bücherregal bauen.«
    Joseph musste lachen. Betty hatte ihn immer schon zum Lachen gebracht.
    »Du
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