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Die drei Frauen von Westport

Titel: Die drei Frauen von Westport
Autoren: Cathleen Schine
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dringliches, ungewohntes und unangenehmes Problem. Auf Anraten seiner Anwälte, hatten Josephs Anwälte ihr mitgeteilt, habe Joseph sämtliche Kreditkarten gesperrt. Das gemeinsame Konto, das Betty für die Haushaltsausgaben benutzte, würde erst wieder aufgefüllt werden, wenn man zu einer Einigung gelangt war.
    »Ich dachte, Mr.Weissmann wollte keine Anwälte hinzuziehen«, sagte Betty zu den Anwälten. »Wir haben doch eine Mediatorin.«Woraufhin die Anwälte lediglich erwiderten, da Mr.Weissmann sie zweifellos beauftragt habe, könne man wohl davon ausgehen, dass er sich anders entschieden habe.
    »Tut mir furchtbar leid«, sagte Joseph, als er sie anrief. »Meine Anwälte haben mir geraten, Anwälte hinzuziehen.«
    »Raten sie mir auch, Anwälte hinzuziehen?«
    »Wir können uns bestimmt gütlich einigen. Es dauert nur einWeilchen. Ich bin bereit, großzügig zu sein.«
    »Joseph, du vertreibst mich aus meinem Zuhause.«
    »Tja, das wäre wohl wirklich am besten. Während wir alles ordnen.«
    Allein der Klang seiner Stimme verbesserte BettysWohlbefinden. Diese Stimme hatte sie tagaus, tagein gehört. Nach dem Gespräch fühlte sie sich wieder mehr wie sie selbst.
    »Das ist doch verrückt«, sagte Annie, als ihre Mutter ihr davon erzählte. »Er benimmt sich grauenvoll. Und du darfst jetzt nicht ausziehen. Das kannst du in jedem Scheidungshandbuch nachlesen.«
    »Aber er hat denVertrag unterschrieben. R echtlich gehört dieWohnung ihm. Er muss eben erst alles rechtlich regeln, dann einigen wir uns. Bis dahin darf er mich hier gar nicht wohnen lassen. R echtlich betrachtet.«
    »Mutter, du weißt, dass das überhaupt keinen Sinn ergibt, oder? Ich meine, du bist dir doch darüber im Klaren?«
    »Und ich habe natürlich jetzt auch kein Geld, um dieWohnung zu halten. Hast du eine Ahnung, was es kostet, so was zu halten? Bestimmt ein kleinesVermögen. Aber ich weiß das gar nicht. Joseph hat sich darum gekümmert. Er hat sich immer so gut um mich gekümmert …«, sagte sie mit einem wehmütigen Seufzer, in dem Dankbarkeit und Erinnerungen an bessere Zeiten mitschwangen.
    Annie musste an das kleine mit Geld gefüllte Säckchen denken, das ihre Urgroßmutter immer für Notfälle um den Hals getragen hatte. »Hast du irgendwelche R ücklagen?«, fragte sie.
    »Wie meine Großmutter?Warum sollte ich?«
    »Zum Beispiel für den Fall, dass so was passiert wie jetzt.«
    »So was wie jetzt hätte vor dreißig Jahren passieren sollen, wenn die Kinder aus dem Haus sind und man als Frau nicht mit so was rechnet«, sagte Betty.
    »Aber du hast jetzt auch nicht damit gerechnet«, entgegnete Annie.
    »Es hätte ja auch vor dreißig Jahren passieren sollen«, erklärte Betty geduldig ein zweites Mal.
    Bald nach Josephs Abreise bekam Betty wieder einmal einen Anruf von ihrem Cousin Lou. Cousin Lou war ein elegant gekleideter Herr mit rosa Gesicht, für den man wohl die R edewendung »das Geld mit vollen Händen zum Fenster hinauswerfen« erfunden hatte. Zum einen hatte Cousin Lou überdurchschnittlich große Hände, mit denen er unentwegt Leuten auf den R ücken klopfte, ihnen dieWange tätschelte oder die hilflosen, kleiner geratenen Hände der Menschen, die er um sich geschart hatte, fest umfasste. Lou war 1939 als fünfjähriger Junge aus Österreich evakuiert und in die Staaten gebracht worden. Er hatte damals nichts bei sich gehabt außer einer Bettdecke und dem ersten Winnetou-Band von Karl May. Bettys Onkel undTante hatten ihn während des Krieges bei sich aufgenommen, aber Lou blieb auch nach dem Krieg bei ihnen, weil er seine gesamte Familie im Konzentrationslager verloren hatte. Er sprach nie über denVerlust seiner Familie.Wenn er über jene Zeit sprach, dann nur über eine Person namens Mrs. James Houghteling.
    Mrs. H., wie er sie zu nennen pflegte, war Gattin des Leiters der Einwanderungsbehörde gewesen, als der fünfjährige Flüchtling auf Ellis Island eintraf.
    »Nun, im selben Jahr wurde eine Gesetzesvorlage beim Kongress eingereicht«, hatte Lou gesagt, als er mit denWeissmann-Mädchen zum ersten Mal über Mrs. H. sprach. »Wisst ihr, was der Kongress ist?«
    Die beiden nickten, obwohl sie damit lediglich ein Bild aus ihrer Schule inVerbindung brachten, auf dem im Halbkreis sitzende Männer zu sehen waren.
    »Und was ist dann passiert, Cousin Lou?«, fragte Annie und fügte gleich noch hinzu: »Mach dir keine Sorgen«, denn trotz seiner rauschenden Festlichkeiten sah Cousin Lou immer ein wenig besorgt aus.
    »Im
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