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Die drei Frauen von Westport

Titel: Die drei Frauen von Westport
Autoren: Cathleen Schine
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bemerkte Miranda. »Wenn nun noch Anwälte dazukommen, wird es auch noch scheußlich.«
    Ihr Handy vibrierte. Sie meldete sich nicht, als sie sah, wer da anrief.
    »Ach herrje«, murmelte sie, aber Annie hörte sie nicht.
    »Und teuer«, sagte Annie. »Mit Anwälten wird alles teuer.« Sie hatte einschlägige Einfahrungen auf diesem Gebiet.Vor vielen Jahren war sie einmal verheiratet gewesen. Aus der Ehe waren zwei mittlerweile erwachsene Söhne hervorgegangen. Aber ihr Mann, ein rastloser, lebenshungriger junger Bursche, hatte sich als Glücksspieler erwiesen. Seit der Scheidung vor achtzehn Jahren hatte Annie ihn nicht mehr zu Gesicht bekommen, und er hatte auch keinen Kontakt zu den Jungen gehalten.Vor zwei Jahren hatte sie erfahren, dass er an Leukämie gestorben war. »Nichts ist von Dauer«, sagte sie jetzt und dachte daran, was für eineVerschwendung die Liebe doch war.
    »Dass du immer so nüchtern sein musst«, entgegnete Miranda.
    Und die beiden Schwestern spazierten weiter Arm in Arm die Straße entlang. Sie waren nachsichtig und liebevoll im Umgang miteinander, dennoch lag nun auf beider Lippen ein kleines zufriedenes Lächeln der Überlegenheit.
    Annie hatte Felicity Barrow freundlich gegrüßt, als sie Josephs Büro verließen, aber im Grunde genommen konnte sie diese Frau nicht leiden. Felicity hatte riesige hellblaue Kulleraugen, wie eine Schauspielerin, die genau weiß, wie sie ein Kind spielen muss. Annie war sich durchaus im Klaren über die Leistungen der Mitarbeiterin ihres Stiefvaters. Sie wusste, dass Felicity fleißig war und dass ihr die Firma viel zu verdanken hatte. Felicity sorgte dafür, dass man darüber im Bilde war. Dabei prahlte sie keineswegs, ganz im Gegenteil. Sie war unendlich bescheiden, worauf sie jedoch in so gut wie jedem Gespräch hinwies. Ferner betonte sie ständig, dass sie doch gar nichts wisse und völlig unbedeutend sei, was natürlich jedermann zum Widerspruch veranlasste.
    Dennoch wäre Annie unter anderen Umständen stehen geblieben und hätte ein paarWorte mit Felicity gewechselt, denn deren Bruder war der bekannte R omancier Frederick Barrow, und durch Felicitys freundlicheVermittlung würde Barrow in der Bibliothek lesen, in der Annie angestellt war. Es handelte sich dabei um eine kleine private Bibliothek, im neunzehnten Jahrhundert gegründet von reichen Pelzhändlern, um die Bildung des Nachwuchses in ihrem Gewerbe zu fördern. Doch um die Finanzdecke der Bibliothek war es nie wirklich gut bestellt, weshalb Annie als stellvertretende Leiterin dazu angehalten war, Lesungen zu organisieren. Die Bibliothek befand sich an der UpperWest Side, wo sich die Lesungen inzwischen großer Beliebtheit erfreuten. Die Eintrittskarten kosteten fünfundzwanzig Dollar, und nach einem etwas holprigen Start kamen nun seit drei Jahren regelmäßig über zweihundert Leute.
    Annie verstand sich darauf, die Autoren zurTeilnahme zu bewegen. Anfangs hatte sie nur darauf geachtet, von wem demnächst ein neues Buch erscheinen würde, und dann Kontakt zu den entsprechenden Personen aufgenommen. Doch nach einiger Zeit ging sie dazu über, den Autoren einen Prozentsatz der Einnahmen zu geben; das hatte sie bei Lesungen in Deutschland beobachtet. Es schien den Autoren besser zu gefallen, wenn sie ihnen anstatt eines Schecks ein Bündel abgegriffener Geldscheine überreichte. Sie kamen ihr dann immer vor wie Kinder, die sich über schimmernde Münzen freuen. Annie machte sich keine Illusionen über Schriftsteller. Einerseits war sie beeindruckt von ihnen, weil sie die Bücher erschufen, von denen sie beeindruckt war. Andererseits empfand sie sie als ziemlich traurige Gestalten, die es nicht geschafft hatten, einen anderen Beruf zu ergreifen. Und sie drückte ihnen die Geldscheine mit derselben Miene in die Hand, die sie aufsetzte, wenn sie einem PortierTrinkgeld gab.
    Doch selbst mit der Zugabe eines Bündels Zwanziger gelang es selten, einen Autor wie Frederick Barrow einzuladen. Er war nicht nur reich und berühmt, sondern überdies scheu, und ließ sich fast nie in der Öffentlichkeit blicken. Felicitys Angebot war Annie deshalb sehr willkommen gewesen.
    Annie hatte Felicity vor einem Jahr kennen gelernt, als sie abends überraschend im Büro ihres Stiefvaters aufkreuzte, um ihn auf dem Heimweg zu begleiten. Ungeachtet desWetters ging Joseph jedenTag zu Fuß nach Hause, und Annie schloss sich ihm manchmal an. DerWeg von seinem Büro zurWohnung war nicht weit, achtzehn Häuserblocks, und an
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