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Die drei Frauen von Westport

Titel: Die drei Frauen von Westport
Autoren: Cathleen Schine
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werden, man kann’s ja auch so sehen …«
    Miranda traf eine Entscheidung. Sie war hier, um etwas zu sagen, nicht um zuzuhören und Mitgefühl an denTag zu legen. Doch nun war sie in eine Katastrophe hineingeraten und musste ihrVorhaben aufschieben. Leanne ging es nicht gut. Sie brauchte Miranda. Man musste geduldig mit ihr sprechen, die Details in Erfahrung bringen, Rat und Hoffnung vermitteln. »Was zumTeufel ist eigentlich los?«, fauchte Miranda. »Was faselst du da überhaupt?«
    »Ich bin nicht schuld dran«, redete Leanne weiter. »Ich habe ihr gesagt, sie soll ihm nicht trauen, ich habe ihr gesagt, sie soll ihm keinen Cent geben, und sie hat gesagt, sie hat es so gemacht – hat ihm keinen Cent gegeben.«
    »Wem hat sie keinen Cent gegeben?« Miranda merkte nun, wie betrunken Leanne tatsächlich war, und stellte die Whiskyflasche außer R eichweite auf einen anderen Tisch. Dann setzte sie sich zu Leanne. »Vom wem redest du?«
    »Nein, keinen Cent, nicht einen Cent«, murmelte Leanne und schüttelte triumphierend den Kopf. »Nicht einen Cent – aber jeden Cent.« Sie schien Miranda gar nicht zu bemerken. »Nicht ihm, sagt sie. Nein, nein, nicht ihm, nur einem Fonds, von dem er ihr erzählt hat, einem schönen sicheren Fonds, einem Freund von ihm an derWall Street, und er würde nur eine ArtVermittlungshonorar kriegen, das er außerdem für Henry anlegen würde, und das auch nicht von ihr, sondern von dem Fondsverwalter …«
    Miranda dämmerte allmählich, von wem die R ede war, und ihr schwante Übles. »Kit?«, fragte sie.
    »Und es war ein geschlossener Investmentfonds, aber dieser Freund von ihm konnte sie noch aufnehmen. Der Neffe desVerwalters konnte sie in seinen geschlossenen Fonds aufnehmen. Und wenn sich was exklusiv anhörte, konnte sie nie widerstehen, die verrückte alte Henne.«
    »Leanne, steh auf.« Miranda versuchte, die Freundin hochzuziehen. »Du bist grade ziemlich hysterisch, oder? Atme jetzt mal tief durch oder so.«
    »Sie wollte ihn nicht mal im Haus haben, nicht mal, um sich um Henry zu kümmern, während ich weg war, hat ihn ins Bootshaus verbannt, als sei er die verrückte Frau von Mr. R ochester – und jetzt ist alles futsch. Sie konnte ihn nicht ertragen und hielt ihn für einen Schwindler, und dann gibt sie ihm plötzlich ihr ganzes Geld, und dann plötzlich, noch plötzlicher, ist alles weg. Alles weg … ich war nur sechsWochen nicht hier, und nun schau dir an, was passiert ist …« Sie packte ein Kissen und schleuderte es durchs Zimmer.
    Miranda fragte sich, ob sie selbst sich auch so aufführte, wenn sie einen ihrer Anfälle hatte.
    »Hör auf!«, sagte sie. »Du benimmst dich ja wie ich!«
    Sie packte Leanne, die sich wehrte, aber nur kurz. Dann brach sie schluchzend in Mirandas Armen zusammen.
    Miranda barg ihr Gesicht in Leannes Haar. »Schon besser«, sagte sie.
    »Es ist besser, wenn ich heule?«, murmelte Leanne an Mirandas Schulter.
    »Besser für mich. Dann kann ich meine eigenen Gedanken wieder hören.«
    »Na toll.«
    »Lass uns rausgehen, okay? Frische Luft schnappen.«
    »Frische Luft«, wiederholte Leanne dumpf.
    Sie gingen bis zumWasser und wanderten an dem kleinen Strand auf und ab. Der Mond, eine schmale Sichel, stand tief am schwarzen Himmel.
    »Wieder nüchtern?«, fragte Miranda schließlich. Aber sie fühlte sich selbst wie berauscht. Berauscht von Konfusion,Verlangen, Ungeduld.
    »Ja, ja. Da hast du Kit kennen gelernt.« Leanne deutete auf die Stelle am Strand, die Miranda ihr gezeigt hatte. »Das Finanzgenie.« Sie holte tief Luft. »Was soll ich jetzt tun?«, sagte sie leise. »Was soll ich mit Charlotte machen? Vielleicht stirbt sie ja, bevor sie von hier wegziehen muss, bevor sie versteht, was passiert ist.«
    »Schon möglich.« Miranda bemühte sich, ihr zuzuhören, aber es fiel ihr schwer, sich zu konzentrieren. Sie war heute Abend mit einem bestimmtenVorhaben hergekommen, und es hatte sie ihren ganzen Mut gekostet, die Herfahrt auf sich zu nehmen, an der Tür zu klingeln, Hilda insWohnzimmer zu folgen. Und jetzt: eine Katastrophe. »Tut mir leid für dich, Leanne«, gelang es ihr schließlich zu sagen. »Tut mir wirklich leid.«
    Leanne trat gegen einen Haufen Muscheln. »Wieso bist du überhaupt hergekommen?«
    Der Mond hing über ihnen, ein Schlitz im samtschwarzen Himmel. Die kühle Luft roch nach Ozean. Miranda warf einen Stein insWasser und starrte Leanne mit leerem Blick an. Dann ergriff sie Leannes Hand und spürte, wie Leanne
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