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Die drei Frauen von Westport

Titel: Die drei Frauen von Westport
Autoren: Cathleen Schine
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Stelle.«

20
    DasTreffen fand in einem Sitzungsraum mit Blick auf den Hudson statt. Miranda starrte auf einen Kahn, der reglos im braunenWasser des Flusses lag.
    »Müllkahn«, sagte sie. »Der arme alte Müllkahn.«
    Josies Anwalt blickte gereizt von seinen Papieren auf. Josie lachte.
    »Nur du würdest Mitleid mit einem Müllkahn haben«, sagte er zärtlich.
    »Sei nicht so herablassend.«
    Josie sah erschüttert aus. »Miranda …«
    Die Tür ging auf, und der Forensic Accountant, Mr. Mole, kam herein. Er war ein fetter Mann, der Ähnlichkeit mit Kröterich von Schloss Krötinhall hatte. Hinter ihm erblickte Miranda R oberts, mit einem Aktenkoffer bewaffnet.
    »Sie tauchen ja an den merkwürdigsten Stellen auf«, sagte Annie, aber in diesem Ambiente war R oberts mit seiner zurückhaltenden formellen Art und seiner hellblauen Fliege ausnahmsweise genau richtig. Er ließ sich am Kopfende des Tisches nieder, legte seine langen Finger aneinander und blickte gelassen in die R unde.
    »Wollen wir anfangen?«, sagte er.
    »Mehr oder minder im R uhestand«, murmelte Miranda vor sich hin.
    Sie unterzeichneten die Papiere schweigend, nur das Kratzen der Kugelschreiber war zu vernehmen.
    »So«, sagte Josie dann lächelnd, »ich hab euch beiden ja gesagt, dass ich großzügig sein werde!«
    Annie schaute den Mann an, der bis vor Kurzem ihrVater gewesen war, und sie wusste, dass er irgendwann auch wieder ihrVater sein würde. Nicht, weil sie ihm verzeihen würde. Das stand ihr gar nicht zu, denn er hatte sich schließlich nicht von ihr scheiden lassen, und sie würde ihm ohnehin niemals verzeihen, ob es ihr nun zustand oder nicht. Auch nicht, weil sie vergessen würde, obwohl natürlich im Laufe der Jahre so manches in der Erinnerung verblasste. Nein, es würde Josie aus einem ganz anderen Grund gelingen, sich wieder in ihr Herz zu stehlen.Weil sie ihn liebte.
    Nur im Moment liebte sie ihn gar nicht.
    »Ach, Josie«, sagte sie traurig, stand auf und umarmte ihn, um ein letztes Mal seine väterlicheWange zu spüren, den väterlichen Duft seiner Seife einzuatmen. »Du hast dich benommen wie ein absoluter Idiot.«
    »Mittagessen?«, sagte er ziemlich kläglich und blickte zwischen Annie und Miranda hin und her.
    »Wir müssen zu unserer kranken Mutter zurück«, antwortete Miranda, »die jetzt zumindest ein anständiges Dach über dem Kopf hat.«
    Joseph nickte. »Zum Glück«, sagte er. »Zum Glück konnten wir das jetzt endlich regeln.«
    »Dank des Forensic Accountant«, sagte Miranda und bedachte ihrenVater mit ihrem trotzigsten Blick, an den Josie sich noch gut aus ihren Kindertagen erinnern konnte.
    Er wollte den beiden gerne begreiflich machen, wie sehr es ihn erleichterte, dass Betty nun gut versorgt war. Aber sie hielten so sehr zu ihrer Mutter, und sie waren so hart und stark.
    »Ihr seid gute Mädchen«, sagte er.
    Schweigen.
    »Eure Mutter hat das verdient«, fügte er hinzu. »Sie ist eine ganz besondere Frau. Ein großartiger Mensch.«
    Miranda brach inTränen aus und fiel Josie um den Hals. Dann fauchte sie »ich hasse dich« und rannte aus dem Zimmer.
    »Also tschüss dann«, sagte Annie und folgte ihrer Schwester, womit dasTreffen beendet war.
    Sie schüttelten Mr. Mole die Hand und bedankten sich bei ihm.
    »Ach, Sie müssen sich nicht bedanken«, erwiderte er. »Für meinen alten Freund R oberts mache ich alles.«
    R oberts bot den beiden Frauen an, sie nach Hause zu fahren, und auf demWeg zum Auto verschwand Miranda in einem Laden, um sich eine FlascheWasser zu kaufen.
    »Danke«, sagte Annie zu R oberts. »Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll für alles, was Sie für uns getan haben.«
    Sie nahm seine Hand und küsste sie, ohne auch nur eine Sekunde zu überlegen.
    Ein breites Lächeln trat auf R oberts’ Gesicht. Als ihm auffiel, dass seine Hand auch nach dem Kuss noch immer vor Annies Lippen verharrte, zog er sie wieder zurück, hüstelte, rückte seine Krawatte zurecht und sagte, das sei alles Mr. Mole zu verdanken, dem Magier Mr. Mole.
    »Mole ist so ziemlich der beste Forensic Accountant des gesamten Landes«, erklärte er, als sie sich schließlich in denVerkehr auf demWest Side Highway einfädelten.
    »Er muss Unglaubliches geleistet haben, wenn es ihm gelungen ist, Josie umzustimmen«, bemerkte Miranda.
    »Ach, er hat gar nichts getan. Ich will es mal so sagen: Allein die Aussicht darauf, dass Mole sich ihre Buchhaltung vorknöpft, veranlasst die Leute sehr schnell dazu, ihre Haltung zu
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