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Die drei Frauen von Westport

Titel: Die drei Frauen von Westport
Autoren: Cathleen Schine
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geschüttelt. Sie hätte überhaupt gerne irgendjemanden geschüttelt, vorzugsweise den Arzt. Gerade wurde ein R uf durchgegeben: »Dr. Franken, Dr. Franken, bitte melden … Dr. Franken, Dr. Franken …« Ihre Mutter nannte den Arzt »Dr. Frankenstein«. Er war kaum älter als Annies Sohn Charlie. »Dr. Franken, Dr. Franken.« Im Krankenhaus klangen solche Durchsagen immer Unheil verkündend. Annie spürte, wie ihr Herzschlag sich beschleunigte.
    »Ihr seid bevollmächtigt«, sagte Betty, als Annie wieder ins Zimmer kam, um auf den Arzt zu warten. »Ich möchte, dass ihr zwei in die Stadt fahrt und die Papiere für mich unterschreibt.«
    »Ach, Mom, das hat doch Zeit. Jetzt müssen wir uns erst mal darum kümmern, dass du wieder gesund wirst.«
    »Man kann sich um zwei Sachen zugleich kümmern, Annie«, erwiderte Betty lächelnd. »Das weiß ich aus Erfahrung. Ich möchte, dass ihr in die Stadt fahrt und die Sache erledigt.« Sie hielt inne. Dann ergriff sie mit der Linken Annies Hand und mit der R echten die von Miranda. »Ich möchte, dass ihr das macht«, sagte sie noch einmal.
    »Dr. Franken, Dr. Franken« , hörte man aus den Lautsprechern.
    »Ich will, dass dieser miese verkommene Dreckskerl euch unter die Augen treten muss«, sagte Betty mit wildem Blick. »Euch beiden .«
    Miranda und Annie starrten ihre Mutter an.
    »Das ist er euch schuldig«, sagte Betty. »Möge er in Frieden ruhen«, fügte sie mit sanfterer Stimme hinzu.
    Nach einerWeile tauchte endlich der Arzt auf, ein junger Bursche in weißem Kittel. Bettys Staphylokokkeninfektion sei schlimmer geworden, sagte er. Lungenentzündung … musste intravenös Antibiotika bekommen … konnte unter keinen Umständen entlassen werden … in ihrem Alter … konnte von Glück sagen, dass sie die Meningitis überlebt hatte … in ihrem Alter … in ihrem Alter … in ihrem Alter …
    Annie hatte mechanisch mitgeschrieben. Als sie ihre Notizen zuhause zu entziffern versuchte, sagte sie: »Alles nurWorte. Ein Haufen bedeutungsloserWorte. Das Einzige, was ich wirklich gehört habe, war ›in ihrem Alter‹. Und dabei ist sie noch gar nicht so alt. DieserVollidiot von einem Arzt.«
    Sie legte sich auf Bettys Sofa.
    »Mach dir keine Sorgen«, sagte Miranda in besorgtemTonfall. »Sie wird schon wieder gesund.«
    Annie konnte sich nicht erinnern, dass Miranda jemals zuvor versucht hatte, sie zu trösten, und es machte ihr Angst. Dann musste es wirklich schlecht stehen um Betty.
    Miranda rief Leanne an, die versprach, sich als Kollegin bei dem Arzt nach dem wahren Sachverhalt zu erkundigen.
    »Sie will auch heute Nachmittag reinfahren und nach Betty schauen, wenn Henry seinen Mittagsschlaf macht. Hilda kann so lange auf ihn aufpassen.«
    Miranda schien sehr stolz auf Leanne zu sein, ganz als habe sie einen Anteil am großzügigenVerhalten der Freundin. »Das ist lieb von ihr«, sagte Annie, und Miranda strahlte übers ganze Gesicht.
    Dann rief Annie Cousin Lou an, um zu fragen, ob R osalyn Betty vielleicht am nächsten Morgen besuchen könnte.
    »Nein, nein, das geht gar nicht«, sagte Cousin Lou. »Sie würde deine arme Muter zum Irrsinn treiben. Lieber Himmel, ausgeschlossen. Aber ich werde sie selbst besuchen. Ich habe doch eine beruhigende Wirkung, oder? Ich kann Menschen gut aufheitern. Ich besuche sie. R osalyn ist im Moment zu nervös. Diese ganze Geschichte belastet sie zu sehr.«
    »Was für eine Geschichte? Dass Mom im Krankenhaus ist?«Vermutlich tat R osalyn nun so, als sei sie selbst betroffen.
    »Nein, nein. Die ganze Sache mit diesen beiden Mädchen aus Palm Springs. Das ist ja ein großesTohuwabohu.«
    Annie hätte um ein Haar aufgestöhnt. Amber und ihre Eskapaden interessierten sie im Moment überhaupt nicht. Nicht einmal Frederick. Schnee von gestern. Nur ihre Mutter war ihr wichtig.
    »Eine von den beiden scheint was mit diesem Barrow angefangen zu haben«, berichtete Cousin Lou. »Und Gwen ist nun fuchsteufelswild …«
    Annie sann müßig darüber nach, wo Cousin Lou diesen leicht angestaubten Ausdruck aufgeschnappt hatte.
    » R osalyn hat schon den ganzen Tag mit hysterischen Frauen telefoniert und ist völlig am Ende. Und das Ganze noch, da ja ein Baby erwartet wird …«
    »Cousin Lou, tut mir wirklich leid, dass R osalyn diesen Stress hat«, fiel Annie ihm insWort, »aber kannst du nun morgen früh ins Krankenhaus fahren oder nicht? Ich muss das wissen.«
    »Was? Gehöre ich zur Familie oder nicht? Morgen früh bin ich zur
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