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Die Drachenperle (German Edition)

Die Drachenperle (German Edition)

Titel: Die Drachenperle (German Edition)
Autoren: Marlies Lüer
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faulen Backenzahn zu ziehen.
     
        Hantok fühlte eine tiefe Schwermut. Er wusste, dass sein einziger Sohn und Erbe ihn insgeheim verachtet hatte, weil er dem Clan eine neue Ausrichtung gab und andere Werte als die der Vorväter leben wollte. Dennoch, auch wenn sich zwischen ihnen ein tiefer Graben mit den Jahren aufgetan hatte, Martoks viel zu früher Tod hatte ihn aus der Bahn geworfen. Und nun auch noch Ladici. Sein eigenes Weib war ihm in den Rücken gefallen, hatte ihm gar nach dem Leben getrachtet. Vielleicht hatte die Trauer ihren Geist verwirrt, vielleicht war es aber doch eine zielgerichtete Absicht gewesen. Es war ihm nicht verborgen geblieben, dass ihre Zuneigung zu ihm schon seit langer Zeit erloschen war. Selbst die Clanbrüder, seine eigenen Männer, murrten wegen der friedlichen Lebensweise, die er ihnen aufgezwungen hatte. Mehr als einige wenige Beutezüge für frische Sklaven hatte er ihnen seit vielen Jahren nicht gestattet. Ihre Lebensweise war veraltet, zum Untergang verurteilt. Es gab nicht mehr genug Raum in diesem Land für halbwilde Beutereiter. Warum begriff das niemand außer ihm? Wofür lohnte es sich noch zu leben? Er war einsam, hatte kein Interesse mehr an diesem Leben als ungeliebter Führer, das ihm die beiden Ordensbrüder nun gerettet hatten. Der Sklavenjunge Taiki… Aurelias Sohn. Er hatte ihn natürlich erkannt. Eigentlich müsste der zerschmettert in der Schlucht liegen, seine Knochen abgenagt von Geiern und anderen Aasfressern, so wie es jetzt mit Ladicis Knochen geschah. Erstaunlich, nicht einmal Tock gehorchte ihm noch aufs Wort. Dieser Junge – beachtlich, welche Entwicklung er außerhalb Rossheims genommen hatte! Die Götter Goros, die nicht die der Beutereiter waren, mussten ihre Hand schützend über ihn gehalten haben. Ausgerechnet er, der allen Grund hatte, ihn zu hassen und ihm zu schaden – er hatte ihm das Leben zurückgegeben! Warum? Warum tat er ihm Gutes? Beim Schwert seiner Vorfahren, dieser Junge hatte solche Ähnlichkeit mit Aurelia, das es ihm wehtat! Sein Herz verzehrte sich vor Sehnsucht nach dieser schönen, stolzen Frau.
        „Du. Komm mal her. Setz dich auf den Hocker dort.“
    Hantok richtete sich auf und verzog schmerzlich sein Gesicht. Ihm taten die Muskeln vom vielen Liegen weh. Es wurde höchste Zeit, dass er wieder auf die Beine kam. Ein Clanführer gehörte nicht ins Bett.
        „Habt Ihr Schmerzen? Wollt Ihr einen Heiltrank?“
        „Nein, ich will Antworten. Tarpan, geh vor die Tür, ich will mit dem Heiler alleine sprechen.“
        „Aber Herr!“
        „Raus mit dir, gehorche!“
    Tarpan warf dem Kuttenträger, dem er immer noch misstraute, einen grimmigen, warnenden Blick zu, verließ dann den Raum und schloss die Tür hinter sich.
        „Setz dich endlich.“
       „Ja, Herr.“
        „Und nenne mich nicht länger Herr , ich bin nicht mehr dein Gebieter. Junge, ich habe dich sofort erkannt. Du bist Taiki, mein Sklave. Der Zauberer. Du bist der, der meinen Sohn auf dem Gewissen hat. Nein, sei still, ich will jetzt nichts hören.“ Er winkte ab, als Taiki erschrocken ein Stück zurückwich und blass wurde. „Warum tust du das? Du hast allen Grund mich zu hassen. Ich habe damals deinen Tod befohlen. Und nun bist du hier, wenn auch nicht aus freiem Willen, und hast mein Leben bewahrt. Warum hast du mich nicht einfach sterben lassen?“
    Taikis Antwort kam schnell, er musste nicht überlegen. „Weil es einfach falsch gewesen wäre. Ich bin Heiler. Mein Vater ist Heiler. Wir gehören zum Orden der Barmherzigen Brüder. Unsere Kraft, unser Wissen, unsere Hingabe und Liebe gehört den Kranken und Schwachen, den Alten und den Krüppeln. Ohne Ansehen der Person. Wir leben sogar mit ihnen. Und du warst sehr krank, sehr schwach. Die Stimme meines Heilerherzens spricht lauter als der niedere Teil meines Wesens, der nach Rache schreit. Rache für geraubte Jahre, gestohlene Freiheit, für Ungerechtigkeit, für einen vernarbten Rücken. Rache für das Unrecht, das mir und all den anderen Sklaven, meinen Freunden, angetan wurde, Jahr um Jahr. Menschen sind dazu geboren, in Freiheit und Würde zu leben!“
    Der Clanführer hörte schweigend zu. Nach einer Weile sagte er leise: „Ich will jetzt allein sein. Geh nach nebenan. Bleibe dort, bis ich dich wieder rufen lasse.“
     
        Ratsherr Ulf hatte es sich nicht nehmen lassen wollen, den Suchtrupp zu begleiten. Es hatte dem Offizier einiges an Überredungskunst
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