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Die Drachenkämpferin 02 - Der Auftrag des Magiers

Titel: Die Drachenkämpferin 02 - Der Auftrag des Magiers
Autoren: Licia Troisi
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das Kissen bohrte.
    Zu einem zweiten Versuch kam der Pirat nicht mehr. Denn mit einem Male wurde der Dolch glühend heiß in seinen Händen, der Mann schrie auf und ließ die Waffe fallen. Er blickte zu Sennar, der mit geschlossenen Augen vor der Treppe stand und unverständliche Worte murmelte.
    »Was zur Hölle ...«, knurrte der Angreifer, doch er fand nicht die Zeit, den Satz zu beenden. Er stürzte zu Boden und lag steif und stumm wie ein geräucherter Hering da. Nur seine vor Schreck weit aufgerissenen Augen verdrehten sich.
    Der Zauberer öffnete die Lider, atmete tief durch und versuchte, das Zittern der Hände in den Griff zu bekommen. Ja, es war nicht zu leugnen: Er hatte Angst gehabt. Aber er war auch außer sich vor Zorn: »Alle mal herkommen!«, rief er aus voller Kehle. »Alle mal herkommen!« Verschlafene Gesichter tauchten in der Luke auf. Aires kam die Treppe herunter, barfuß und mit einem langen weißen Nachthemd bekleidet, das der Fantasie nur noch wenig Raum ließ. Sie warf einen Blick auf den am Boden liegenden Piraten, und der erwiderte ihn mit einem stummen Flehen.
    »Was ist hier los?«, fragte sie drohend.
    Sennar ließ sich nicht einschüchtern. »Nichts, bis auf die Kleinigkeit, dass ihr mich wohl doch ein wenig unterschätzt habt.«
    »Egal, was du mit ihm angestellt hast - lass ihn auf der Stelle frei!«, zischte die Frau. »Eins nach dem anderen, Aires. Zunächst sollten wir mal ein paar Dinge klarstellen. Punkt eins: Wenn ihr glaubt, in mir einen Tölpel gefunden zu haben, der sich leicht ausnehmen lässt, so habt ihr euch verrechnet. Punkt zwei:« - Sennar deutete auf den Piraten am Boden - »So wie ihm wird es jedem ergehen, der es wagt, mir zu nahe zu kommen. Und mit ihm war ich noch gnädig.« Im Laderaum wurde es still. Mit unergründlichem Gesichtsausdruck stand Aires eine Weile schweigend da. Dann verzog sie die Lippen zu einem höhnischen Lächeln: »Tapfer, tapfer, unser Magier. So steckt also hinter diesem braven Gesichtchen mehr, als man glauben mag.« Sie trat auf Sennar zu und brachte den Mund ganz dicht an Sennars Ohr. »Pass auf, eine Hand wäscht die andere: Ich achte darauf, dass der Übermut der Männer künftig im Zaum bleibt, und du lässt uns mit deinen Zaubereien in Ruhe. Andernfalls sorge ich persönlich dafür, dass du es sehr bereust.« »Gut, abgemacht«, flüsterte der Magier, während ihm der kalte Schweiß über den Rücken lief. Aires wandte sich den Seeleuten zu, die die Luke umstanden. »Die kleine Vorführung ist beendet, Männer. Legen wir uns lieber schlafen.« Dann stieg sie seelenruhig wieder an Deck und verschwand.
    Wieder allein im Laderaum, atmete Sennar erleichtert auf. Dann fiel sein Blick auf den Piraten am Boden. Er seufzte ungeduldig, sprach eine kurze Formel und löste den Zauber. Ohne sich noch einmal umzudrehen, stürmte der Mann die Treppe hinauf.
    Am nächsten Morgen wurde Sennar auf Deck mit halb bewundernden, halb ängstlichen Blicken empfangen. Die »kleine Vorführung«, wie Aires den Zwischenfall nannte, hatte ihre Wirkung nicht verfehlt. Fortan wagte es niemand mehr, sich nachts in den Laderaum zu schleichen, und so kam es, dass Sennar, obwohl er sich weiterhin von den anderen fernhielt, nun allmählich die Reise genießen konnte. Das Schiff war wunderschön, aus einem dunklen Holz gefertigt, das Sennar nicht kannte und das ihm ein majestätisches und gleichzeitig bedrohliches Aussehen verlieh. Zudem ließ dieses dunkle Holz das Blutrot der im Winde flatternden Segel besonders wirkungsvoll hervortreten. Der schmale Rumpf maß vom Bug bis zum Heck nicht mehr als vielleicht dreißig Ellen, und auch die Bordwände ragten nicht sonderlich hoch über den Wasserspiegel hinaus. So war der Segler dazu geschaffen, leicht wie der Wind über die Wogen zu schießen, wie aus dem Nichts seine Beute zu packen und ebenso rasch am Horizont zu entschwinden. Neben dem Kapitän und der schönen Aires waren noch rund zwanzig Seeleute an Bord.
    Die Figur, die Sennar in der Nacht ihres Aufbruchs am Bug ausgemacht hatte, stellte einen Dämon dar, dessen Rumpf geradezu aus dem Holz des Kiels herauszuwachsen schien. Auf diesem kunstvoll geschnitzten Oberkörper saß, von einem Stiernacken getragen, ein monströses Haupt, um das sich, anstelle der Haare, lange Schlangen wanden. Sein aufgerissener Rachen gab den Blick auf Zähne so spitz wie Stacheln frei. Wenn der Segler durch die Wellen glitt, schien diese Galionsfigur höhnisch dem Ozean zu trotzen und
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