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Die Drachenkämpferin 01 - Im Land des Windes

Titel: Die Drachenkämpferin 01 - Im Land des Windes
Autoren: Licia Troisi
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angenommen hatte, dass er in der Lage wäre, alle ihre Gefühle und Empfindungen zu teilen. Und jetzt behandelte er sie wie ein aufsässiges Kind.
    Sie schluckte die Tränen hinunter und blickte auf den mächtigen, durch die Jahre gebeugten Rücken ihres Vaters. »Umso besser«, sagte sie zornig.
    Doch als sie Anstalten machte, den Raum zu verlassen, hielt sie Livons tiefe Stimme zurück. »Warte ...«, brummte er, indem er sich zu ihr umdrehte. »Nihal, es tut mir Leid. Aber ich hab einfach Angst, Angst, dass du von mir gehst. Solange du eine Kriegerin werden willst, kann ich für dich da sein. Aber Zauberei zu erlernen ...« Ein Kloß im Hals erstickte seine Worte.
    »Aber was redest du denn da? Zu wem sollte ich denn gehen? Ich habe doch nur dich auf der Welt!«
    Nihal umarmte ihn. »Ach, Väterchen, du wirst immer mein Zuhause sein.« Livon war gerührt, und dennoch vermochten es diese Worte nicht, ihn gänzlich aufzuheitern. Noch einige Augenblicke hielt er Nihal fest in den Armen, dann löste er sich von ihr und sagte zögerlich: »Ich wüsste da eine Zauberin ...«
    »Na bitte. Ich hab's doch gewusst. Phantastisch!« Nihal erfasste eine unbändige Freude. »Und wo finde ich sie?«
    »Dort, wo der Bannwald beginnt.«
    »Ach so ...«
    Der Bannwald war das einzige Waldgebiet in Nihals Heimat, und in einem Land der Steppen und offenen Weiten musste so ein düsteres Gehölz etwas Unheimliches haben: Kein Bewohner Salazars, der ihn nicht fürchtete, und Nihal war da keine Ausnahme. »Dort findest du ein Haus, und darin wohnt deine Tante.«
    Nihal war sprachlos. In ihren dreizehn Lebensjahren hatte sie ihren Vater nie von irgendwelchen Verwandten reden hören.
    »Sie heißt Soana und ist meine Schwester. Und sie ist eine sehr mächtige Zauberin.« »Ich kann es nicht glauben. Da verfügen wir über eine solch interessante Verwandtschaft, und du verschweigst sie mir. Warum dieses Geheimnis?«
    Instinktiv senkte Livon die Stimme. »Der Tyrann sieht es nicht gern, wenn in seinem Reich oder in verbündeten Ländern Magier wirken. Deshalb war deine Tante gezwungen, Salazar zu verlassen. Sie ist nun, wie soll ich sagen ..., hmm, sehr eng mit den Feinden des Tyrannen befreundet.«
    Nihal merkte, dass sie vor Aufregung zitterte: eine Verschwörerin!
    »Alle Achtung!«
    »Ich brauche dir wohl nicht zu sagen, dass du dich damit nicht vor anderen brüsten solltest. Vor niemandem. Verstanden?«
    »Für wen hältst du mich?«

3. Soana
    Am folgenden Morgen konnte es Nihal kaum erwarten, endlich aufzubrechen. Sie hatte ihr kleines Bündel gepackt, dazu einen Vorrat an Brot, Käse und Obst, den Livon ihr aufgenötigt hatte, obwohl der Weg gar nicht so weit war.
    Schließlich stand sie in der Werkstatt und lauschte noch einmal allen Anweisungen und Ermahnungen Livons: »Folge dem Weg, der von der Stadt Richtung Süden führt. Dann kannst du es gar nicht verfehlen.«
    »Das hast du mir doch schon gesagt.«
    »Und benimm dich anständig. Soana ist eine strenge Frau,-die lässt dir mit Sicherheit nicht so viel durchgehen wie ich!«
    »Kein Sorge, ich werde ganz brav sein und dir keine Schande machen. Sonst noch was?«
    Livon gab ihr einen Kuss auf die Stirn. »Nein. So geh nun, bevor ich's mir anders überlege.«
    »Lebwohl, Vater, wenn ich zurückkomme, werde ich mit einem Zauber das ganze Haus aufräumen!«
    Während sie sich schon zur Tür bewegte, ergriff Nihal wie selbstverständlich eines der Schwerter an der Wand aus der Reihe derer, die ihr Vater gerade fertig gestellt hatte. »Nihal?«
    Mit unschuldiger Miene drehte sie sich um. »Ja?«
    »Das Schwert. Ich kann mich nicht erinnern, dir gestattet zu haben, eines mitzunehmen.«
    »Und wie stellst du dir das vor? Soll ich mich denn so ganz ohne Schutz, allein und ohne Waffe, auf den Weg machen?«
    Livon seufzte und gab klein bei. »Aber es ist bloß eine Leihgabe.«
    »Natürlich!«, rief Nihal und verließ fröhlich hüpfend die Werkstatt.
    Schnurgerade und ohne Weggabelungen, an denen sie sich hätte verirren können, führte der Weg aus der Stadt hinaus. Das Schwert baumelte schützend an ihrer Seite, und je tiefer sie in die Steppe vordrang, desto mehr fühlte sie sich im Frieden mit sich selbst,- sogar der Wunsch nach Vergeltung, der sie bislang noch beherrscht hatte, verblasste allmählich.
    Im lichten Morgendunst wanderte sie durch das Gras und sog die herbstliche Stimmung in sich auf. Seit jeher hatte das Schauspiel der sich ständig wandelnden Natur beruhigend auf sie
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