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Die Drachen von Montesecco

Die Drachen von Montesecco

Titel: Die Drachen von Montesecco
Autoren: Bernhard Jaumann
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Geldscheine in der Hand. Er legte ihn in die Schachtel zurück und richtete die Kanten sorgfältig übereinander aus. Dann blickte er in das erste Sparbuch. Er sah zu Marta auf. Er schaute ins zweite Sparbuch. Er glotzte ins Leere. Er schüttelte den Kopf und begann zu lachen, wie man lacht, wenn man einen Witz nicht verstanden hat, dies jedoch niemanden merken lassen will. Er sagte: »Das ist …«
    Ivan setzte sich auf den Boden und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand. Der alte Sgreccia hatte sich in den letzten Tagen wahrlich ungewöhnlich aufgeführt, aber nun verstand ihn Ivan überhaupt nicht mehr. Warum hatte er nicht ganz Montesecco und die umliegenden Gehöfte aufgekauft, alles niederreißen, die Hügel einebnen und einen Flughafen anlegen lassen, von dem er mit seinem Privatjet zu den Malediven hätte aufbrechen können? Vielleichtmit einem Zwischenstopp in Fiumicino, um die römischen Nutten zuzuladen. Ivan fuhr sich mit der Hand über die Stirn. Er hatte das Gefühl, sich jetzt konzentrieren zu müssen. Ihm fiel ein, daß er einen Satz begonnen und nicht zu Ende geführt hatte. Er sagte: »… unglaublich!«
    Ivan stand auf. Das mußten sie sofort Angelo mitteilen! Marta hielt ihren Mann am Arm fest. Sie hatte ein Schulheft aufgeschlagen und zeigte auf die Eintragungen in der krakeligen Handschrift Benito Sgreccias. Der Alte hatte über die Ausgaben der letzten drei Tage Buch geführt. Die Rechnungen für die neuen Möbel, den Umzug, die gelieferten Lebensmittel hatte er sofort beglichen. Und er hatte das von ihm angeheuerte Personal jeden Morgen für den jeweiligen Tag ausbezahlt. In bar. Auch die drei Nutten, die in Sgreccias Buchführung vornehm als Hostessen firmierten. Nur daß das hier vermerkte Honorar achthundert und nicht tausend Euro pro Kopf und Tag betrug.
    Wahrscheinlich lernte man diese Art von Geschäften in Rom, weil man dort die Machenschaften der Regierung direkt vor Augen hatte. Ivan fragte sich, ob er die Unverfrorenheit der Nutten verabscheuen oder bewundern sollte.
    »Die können etwas erleben!« sagte Marta. Sie nahm die Papiere mit, und Ivan verschloß das Bargeld im Tresor.
    Die drei Hostessen lächelten wie der Sonnenschein höchstpersönlich und versuchten sich in Augenaufschlägen, die jeden Eisberg zum Schmelzen gebracht hätten, solange er nur männlich gewesen wäre. Marta drohte mit der Polizei und wurde dabei so laut, daß alle, die im Pfarrhaus waren, zusammenliefen.
    »Ein Mißverständnis«, flötete Wilma. »Meine Kolleginnen wußten nicht, daß der verstorbene Herr Sgreccia mir das Geld jeden Morgen ausgehändigt hat.«
    Die beiden anderen nickten eifrig.
    »Und der Aufschlag von zweihundert Euro?« fragte Ivan.
    »… ist uns bei besonderer Zufriedenheit des Klienten in Aussicht gestellt worden«, säuselte Laura.
    »Er kann das ja leider nicht mehr bestätigen, aber wir sind der festen Überzeugung, daß man glücklicher nicht sterben kann«, trällerte Piroschka.
    »Raus!« befahl Marta.
    Zwar war der Mercedes noch nicht da, doch ein kurzer Blick in die Runde überzeugte die drei Hostessen davon, daß es angebrachter war, dem Wagen entgegenzustöckeln. Sie lächelten noch einmal ihr Illustriertentitelbildlächeln und wiegten die Hüften in Richtung Ausgang. Nur Franco Marcantoni grüßte zum Abschied. Er wartete, bis sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, und tat triumphierend kund, daß er Wilmas Telefonnummer habe. Er solle sie mal in Rom besuchen.
    »Dann fang schon mal an zu sparen!« sagte Milena Angiolini.
    »Wilma ist eine Seele von Mensch«, begehrte Franco Marcantoni auf.
    »Sie ist eine Geldvernichtungsmaschine«, sagte Marisa Curzio.
    »… mit einem Haufen sekundärer Geschlechtsmerkmale außen herum«, ergänzte Catia Vannoni.
    »Pure weibliche Eifersucht«, brummte Marcantoni. Er wandte sich an die Männer: »Was meint ihr dazu? He, Ivan!«
    Doch Ivan Garzone hatte Wichtigeres im Kopf. Er nötigte Elena und Angelo Sgreccia, sich hinzusetzen, da das, was er ihnen zu sagen habe, sie sonst umhauen würde. Aus rein dramaturgischen Gründen bat er um Ruhe, obwohl nach dieser Einleitung sowieso keiner mehr sprach. Dann räusperte er sich, ließ sich von Marta die Papiere geben und begann: »Es ist ein trauriger Tag für uns alle, besonders aber für dich, Angelo, der du deinen Vater, und für dich, Elena, die du deinen Schwiegervater verloren hast. Nichts kann einen solchen menschlichen Verlust aufwiegen, immer wird euch und uns Benito Sgreccias
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