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Die Drachen von Montesecco

Die Drachen von Montesecco

Titel: Die Drachen von Montesecco
Autoren: Bernhard Jaumann
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Leben und Schaffen ein Vermächtnis bleiben. Doch aus dem Schmerz und der Trauer, die wir alle empfinden, wächst ein kleines grünes Pflänzchen der Hoffnung, was sage ich, eine hundertjährige Eiche des Glücks empor, und gerade an diesem Tag und in dieser Stunde sollte es euch ein besonderer Trost sein, ein weiterer Beweis – wenn er denn nötig gewesen wäre – der Fürsorge eures entschlafenen Vaters und Schwiegervaters, daß er selbst diesen Baum mit starker Hand gepflanzt hat, auf daß euch und uns allen der Abschied von ihm nicht so schwer werde, denn in nichts beweist sich die väterliche Liebe …«
    Marta stieß ihren Mann in die Seite.
    »Was?«
    »Jetzt sag es endlich!«
    »… beweist sich …« Ivan starrte auf die Papiere in seiner Hand und blickte dann wütend zu seiner Frau. »Wegen dir habe ich den Faden verloren!«
    »Angelo, Elena, ihr seid steinreich!« sagte Marta und erläuterte in dürren Worten, daß Benito Sgreccia auf verschiedenen Konten insgesamt fünfeinhalb Millionen Euro angesammelt hatte. Das waren elf Milliarden Lire!
    »Unmöglich!« sagte Angelo Sgreccia. »Davon hätte ich doch wissen müssen!«
    Marta gab ihm die Unterlagen. Dann herrschte Schweigen. Nicht nur Elena und Angelo brachten keinen Ton mehr heraus, auch den anderen schien es die Sprache verschlagen zu haben. Es war, als hätte sich der Raum mit einer unvorstellbaren Menge von Geldscheinen gefüllt, die kaum mehr Luft zum Atmen, geschweige denn zum Sprechen ließen. Nur die Gedanken setzten sich in Gang. Angestoßen vom Gewicht einer nackten Zahl, elf Milliarden, machten sie sich auf den Weg, gewannen Fahrt, schwirrten in die unterschiedlichsten Richtungen aus, um die Kanten und über die Kerben, die das Leben in das Denken eines jeden Dorfbewohners geschnitten hatte, und gelangtenschon nach kurzem in weit voneinander entfernten Gegenden an.
    Wenn wir das Geld hätten, dachte Marta Garzone, müßte ich Ivan die Pistole auf die Brust setzen: Erst werden die Schulden abbezahlt, und der Rest wird so angelegt, daß wir von den Zinsen leben können. Sie würde ihm keine Spinnereien mehr erlauben, keinen neuen Billardtisch, keine Poolbar mit künstlichen Palmen auf dem Dach, keine nervtötenden Windräder. Entweder du läßt mich machen, würde sie sagen, oder Gigino und ich gehen. Vielleicht hätte sie das schon längst tun sollen. Vielleicht auch nicht. Gigino brauchte seinen Vater. Und wenn nicht jeder Cent, der hereinkam, schon dreimal ausgegeben wäre, würde sie vielleicht auch ganz anders darüber denken. Lockerer. So unbekümmert wie Ivan. Und wie sie selbst damals dachte, als sie ihn am Strand von Marotta kennengelernt hatte.
    Windräder, dachte Ivan Garzone, einen ganzen Windenergiepark könnte man mit dem Geld auf den Feldern westlich von Montesecco hochziehen, den Ivan-Garzone-Windpark, der ihm den Innovationspreis der Region Marche genauso wie eine Urkunde des Umweltministeriums in Rom einbringen würde. Delegationen aus der ganzen Welt würden nach Montesecco kommen, um seine hypermoderne Anlage zu besichtigen, und er würde ihnen nach der Führung durch das Gelände das Stahlskelett auf dem Dach seiner Bar zeigen und sagen, daß damit alles angefangen habe. Dann müßte auch der rückständigste Bewohner Monteseccos zugeben, daß er, Ivan, damals die richtige Vision …
    … wieso in diesem heruntergekommenen Pfarrhaus? Das war das einzige, was Franco Marcantoni nicht verstand. Er an Sgreccias Stelle hätte sich eine große Yacht gekauft, die drei Mädchen und den Koch daraufgepackt und wäre von Insel zu Insel durchs Mittelmeer geschippert. Was hielt einen denn schon in Montesecco? Daß man jeden Stein kannte? Jedes Gesicht? Daß man genau wußte, wer wann aus welchem Grund eine Kerze in der Kirche entzündet hatte? Freilich, Lidias Ohnmachtsanfall hätte Franco schon gern miterlebt, wenn er mit einem Dutzend spärlich bekleideter Nutten auf der Piazza …
    … Benito war also ein Multimillionär gewesen, dachte Matteo Vannoni, wie Agnelli, wie Berlusconi, wie einer von denen, für die Geld alles war, was zählte. Gegen die Vannoni damals angekämpft hatte. Wegen denen er Jahre seines Lebens auf Demos, bei Schulungen, mit dem Verfassen von Flugblättern verbracht hatte. Lotta continua, der Kampf geht weiter. Fast wünschte er, sich noch wie früher darüber aufregen zu können, daß für einen, der Geld wie Heu scheffelte, Hunderte andere entlassen wurden. Und daß, während ein paar wenige ihren Reichtum
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