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Die Doppelgängerin

Die Doppelgängerin

Titel: Die Doppelgängerin
Autoren: Stefan Wolf
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Hartmut A.
sitzt seit 18 Jahren wie die Made im Speck.“
    „Blendend geht’s auch ihm nicht, haben
wir gehört. Er hat so schlechte Augen, daß er kaum noch was sieht. Aber andere
Sorgen plagen ihn nicht. Er hat nie irgendwas gearbeitet, nur Großvaters Besitz
und Geld verwaltet — mehr schlecht als recht, denn das Vermögen soll
geschmolzen sein. Aber es wäre immer noch genug für ihn und für unsere Familie.
Na, und dann wurde mal eingebrochen — in seine tolle Villa am Altstadt-Ring.
Vor drei Jahren war das. Hoffentlich hat er sich ordentlich gefürchtet, dieser
eklige Geizknochen!“
    „Ist er verheiratet?“
    „Nein.“
    „Wenn er nicht arbeitet und keine
Familie hat“, sagte Gaby, „was macht er dann?“
    „Früher nannte man so was Tagedieb — wenn
es sich um einen armen Hund handelte. Wenn es aber ein vermögender Müßiggänger
ist, dann nennt man das Privatmann. Und so ein Privatmann hat natürlich sein
Hobby. Hartmut A. sammelt Briefmarken.“
    „Dazu hätte ich keine Geduld.“
    „Er hat sie — und als Philatelist (Briefmarkensammler) soll er bedeutend sein. Auch international. Bei seinem Geld kann er natürlich
die teuersten und seltensten Marken kaufen.“
    „Ob ihn das glücklich macht?“
    „Dem wünsche ich kein Glück“, sagte
Inge.
    Sie stieß das Stöckchen so hart auf den
Boden, daß es zerbrach.
    Gaby stand auf. „Komm! Wir wollen doch
zum Supermarkt. Unterwegs erzähle ich dir, was Tarzan und Klößchen passiert
ist. Die werden nämlich erpreßt.“

4. Nachricht aus dem Gefängnis
     
    Auf dem Speicher war es heiß, die Luft
stickig. Durch eine Dachluke schickte die Sonne ihre Strahlen herein. Im
gleißenden Licht tanzten winzige Staubteilchen. Die Balken des Dachstuhls,
jahrzehntealt, waren ausgetrocknet. Das Holz roch wie eine alte Kirchenbank.
    Nahe der Treppe hatten die Schüler ihre
leeren Koffer abgestellt, damit in den Buden mehr Platz blieb. Sonst herrschte
Leere.
    Ein Querbalken, hinten in dunkler Ecke,
war das Versteck der Strickleiter gewesen.
    Tarzan richtete sich auf. Rund um den
Balken hatte er Superkleber auf dem Boden verteilt.

    Klößchen rutschte auf den Knien,
schnaufte, stützte eine Hand auf und hielt in der anderen ein breites
Spachtelholz. Damit strich er den Kleister glatt.
    „Faß bloß nicht rein“, warnte Tarzan. „Du
wärst festgemauert. Ich müßte dich vermißt melden, damit unser Plan gelingt.
Hierher kommt ja nur selten wer. Wirklich ein irrer Zufall, daß die
Strickleiter entdeckt wurde. Aber ich würde dich verpflegen.“
    „Was?“
    „Wenn du hier festklebst, meine ich.
Jeden Abend würde ich dir eine Schüssel frischen Salat bringen. Und morgens
einen Trunk noch frischeren Wassers.“
    „Brrr!“ machte Klößchen. „Ist ja
widerlich. Ich würde darauf bestehen, daß mein Schokoladenvorrat neben mir
aufgestellt wird und... Hoppla! Jetzt wäre ich fast drin gewesen.“ Er stemmte
sich hoch. „Ist mir zu gefährlich. Ich glaube, du kannst das besser.“
    Tarzan nahm den Spachtel und verteilte
den Superkleber. Er war farblos und im schattigen Halbdunkel nicht zu bemerken.
Er roch etwas streng. Aber das würde sich verlieren.
    „So.“ Tarzan schnellte hoch. „Falle
perfekt.“
    „Hauptsache, XY tappt rein.“
    „Bestimmt.“
    „Stell dir vor, der Direktor latscht
rein.“
    „Das wäre köstlich“, lachte Tarzan. „Aber
ich glaube nicht, daß der über den Speicher schleicht. Außer uns und XY kommt
in diese Ecke kein Mensch.“
    „Und der Kleber bleibt wirklich
tagelang frisch?“
    „40 Stunden garantiert. Wenn dann noch
kein Opfer in der Falle zappelt oder kein Schuh drinsteckt, erneuern wir den
Anstrich.“
    „Wir leben ziemlich gefährlich“, meinte
Klößchen.
    „Das kommt dir nur so vor.“
    „Jetzt habe ich aber Hunger. Vor der
Arbeitsstunde werde ich mir eine Tafel Schokolade bewilligen.“
    „Denk an Bärbel! Laß was für sie übrig!“
    „Oh! Da hab’ nur keine Sorge! Ein Anruf
bei meinem lieben Papa, und dieses wundervolle Geschöpf — ich meine Bärbel — wird
mit Schokolade überschüttet.“ Klößchen überlegte. „Was meinst du? Ob ich ihr
einen halben Zentner schicken lasse?“
    „Wieso einen halben? Fünf! Fünf ganze
Zentner. Ich denke, du findest sie hinreißend.“
    „Schon. Aber fünf Zentner... Ob sie das
schafft? Ich meine, sie ist ziemlich schlank. Vielleicht ißt sie wenig.“
    „Aber bedenke doch! Sie wäre bis an ihr
Lebensende versorgt — falls die Schokolade nicht
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