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Die Doppelgängerin

Die Doppelgängerin

Titel: Die Doppelgängerin
Autoren: Stefan Wolf
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der seine Kameraden
erpresst. Es muß ein Interner sein. Von den externen Stadtschülern verirrt sich
keiner auf den Speicher. Die dürfen ja nicht mal in die Buden.“
    „Wer ist XY?“ Klößchen ballte die
Fäuste. „Weißt du, was ich glaube?“
    „Na?“
    „XY weiß nicht, wem die Strickleiter
gehört — ich meine, daß du sie genauso benutzt wie ich. Sonst würde dem Kerl
jetzt das Hemd flattern. Der könnte sich doch denken, daß du ihm auf die Spur
kommst — und er dann Keile kriegt, bis er um Gnade winselt.“
    „Genau das wird passieren.“
    „Eben. Ob’s einer ist? Oder sind es
zwei? Der eine nennt sich X, der andere Y.“
    Tarzan dachte nach. „Ich tippe: nur einer.
Weil - geh mal in Gedanken die Etage durch, Bude für Bude. Wir haben tolle
Kameraden, Verklemmte, Angeber, Miesmacher, Vollidioten und Wunderkinder. Aber
wir haben nur einen Toni Ehrlich.“
    „Stimmt!“ rief Klößchen. „Also, ehrlich
— nur dem Ehrlich ist das zuzutrauen.“ Gedämpft fügte er hinzu: „Der soll schon
geklaut haben. Hinter dem Rücken redet er schlecht über jeden. Beim Fußball
tritt er immer zuerst gegen das Schienbein des Gegners, dann gegen den Ball.
Außerdem ist Ottmar Paulsen sein bester Freund.“
    „Da haben sich zwei gesucht und
gefunden“, nickte Tarzan. „Toni Ehrlich und Ottmar Paulsen — nur daß Paulsen in
der Stadt wohnt bei seinem Vater.“
    „Der war im Zuchthaus“, wußte Klößchen,
„wegen Einbruchs. Aber sein Sohn wird noch schlimmer. Und so was wie Ehrlich
und Paulsen sitzt bei uns in der Klasse.“
    „Nicht mehr lange.“
    „Wieso?“
    „Überleg doch! Die sind 16. Einmal
sitzengeblieben in der Grundschule. Jetzt machen sie die neunte zum zweiten
Mal. Und wie stehen sie? Aussichtslos. Und damit sind sie weg vom Fenster. Ein
drittes Mal darf man nicht wiederholen.“
    „Ein Glück!“ seufzte Klößchen. Aber
gleich fiel ihm ein: „Na ja! Wer weiß, wann mir das mal blüht. Was tun wir denn
jetzt?“
    „Ehrlichs Schrank dürfen wir nicht
durchsuchen. Außerdem: dort ist die Strickleiter bestimmt nicht. Deshalb holen
wir jeder 50 Mark vom Sparbuch. Das Geld stecken wir hinter den Briefkasten.“
    „Was?“ staunte Klößchen. „Du... willst...
zahlen?“
    „Nur zunächst. Um Ehrlich und auch
Paulsen, falls der sein Komplize (Mittäter) ist, in Sicherheit zu
wiegen. Aber wir stellen eine Falle mit Superkleber!“
    „Womit?“
    Klößchen hatte seinen Bademantel
aufgehängt, saß wieder auf dem Bett und futterte zur Beruhigung seine
Lieblingsspeise: Schokolade.
    „Mit Superkleber! Hast du in der
Chemiestunde wieder nicht aufgepaßt? Böckler war doch ganz hingerissen von
diesem neuen Klebstoff, mit dem sogar wichtige Teile von Flugzeugen geklebt
werden. Von Passagiermaschinen, von Jumbo-Jets! Das muß man sich vorstellen.
Was mit dem Superkleber geklebt ist, hält, hält und hält. Kleb dir damit ein
Brett vor den Kopf — und du wirst es zeitlebens nicht mehr los.“
    „Ich hab’ schon eins“, sagte Klößchen.
    „Ich weiß. Aber das sieht man nicht.“
    Klößchen grinste. „Und wo kriegen wir
den? In einer Flugzeugfabrik?“
    „Im Fachhandel gibt es einen
Superkleber, der etwas abgewandelt ist — dem täglichen Bedarf angepaßt. Ein
Kleber aus der Tube. Er hat eine Eigenschaft, die für unseren Zweck genau
richtig ist: Er bleibt, nachdem er aufgetragen wurde, tagelang frisch.“
    „Aha!“
    „Auf dem Speicher“, erläuterte Tarzan, „bestreichen
wir den Boden damit. Rund um den Balken, auf dem unsere Strickleiter lag.
Bringt XY sie zurück, tritt er in den Superkleber. Damit sitzt er fest. Du
wirst es sehen: der kriegt dann den Fuß nicht mehr vom Boden. Er kann natürlich
aus den Schuhen steigen. Aber die muß er zurücklassen. Und daran werden wir ihn
erkennen. Wie im Märchen vom Aschenbrödel — oder so ähnlich.“
    „Gigantisch! Aber mir fällt ein: warum
lassen wir nicht den Briefkasten überwachen?“
    „Tag und Nacht? Wer soll denn das
machen?“
    „Die Zwillinge — wenigstens während des
Unterrichts. Ah... während der Pausen, meine ich.“
    Tarzan bedachte seinen Freund mit einem
Blick, der aber von besagtem Brett abprallte. Erörterungen überflüssig.
    Denn Klößchen hatte inzwischen
begriffen, daß derartige Überwachung völlig unwirksam war.
    Daß er an die Zwillinge dachte, lag
nahe. In den einen — in Bärbel — war er seit kurzem verschossen. Aber das wußte
nur Tarzan. Und der schwieg wie ein Grab.
    Die Zwillinge hießen Bärbel
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