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Die Doppelgängerin

Die Doppelgängerin

Titel: Die Doppelgängerin
Autoren: Stefan Wolf
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erkrankt. Irgendwas mit dem Blinddarm. Sie mußte Hals über Kopf
ins Krankenhaus und bleibt einige Tage dort. Weil sie alleinstehend ist und
sehr zurückgezogen lebt, hat sie nun niemanden, der ihre Kakteen begießt.“
    „Was?“ rief Klößchen. „Ich dachte
immer, Kakteen brauchen kein Wasser.“
    „Wenig“, lachte Bärbel. „Aber ein
bißchen schon. Die Dettl weiß natürlich auf Tag und Stunde genau, wann ihre
stacheligen Freunde Durst haben. Heute ist es nun wieder soweit. Aber sie liegt
im Krankenhaus. Und jetzt kommt’s: Ausgerechnet mich hat sie zu sich gebeten.
Sie sah blaß aus, war aber sehr freundlich. Ich habe deutlich gemerkt: sie
wollte sich mit mir versöhnen. Darüber bin ich natürlich sehr froh. Na, und
dann hat sie mir ihren Hausschlüssel gegeben, damit ich die Kakteen versorge.“
Sie zog einen Zettel aus der Tasche. „Hier steht drauf, welcher Kaktus wieviel
Wasser kriegt. Es sind nämlich auch Minikakteen dabei und sehr teure
Züchtungen.“
    „Und das wollten Ehrlich und Paulsen
wissen?“ fragte Tarzan.
    „Wollten sie. Und sowas ist ja kein
Geheimnis. Deshalb habe ich’s erzählt. Dabei haben sie mich dauernd frech
angegrinst. Die wollten sich wichtig machen. Dann haben sie dämlich gelacht.
Das war, bevor ihr kamt.“
    „Und sofort ist ihnen das Lachen
vergangen!“ Klößchen warf sich in die Brust.
    „Kennst du die beiden näher?“ fragte
Tarzan das Mädchen.
    „Nur flüchtig. Die waren mal in meinem
Tischtennisklub.“
    Tarzan blickte in die Richtung, in die
Ehrlich und Paulsen gegangen waren. Die Nachmittagssonne brannte auf den
Sandweg. Ganz hinten, wo die Straße verlief, flimmerte die Luft. Zu sehen war
niemand. Hinter einem würfelförmigen Haus krächzte ein Rasenmäher. Es klang,
als sei er seines Jobs überdrüssig und wolle sich lieber mit den Gräsern
verbünden.
    „Sollst du die Kakteen nun jeden Tag
gießen?“ fragte Klößchen.
    „Erst wieder in einer Woche, falls die
Dettl bis dahin nicht zurück ist.“
    Tarzan fragte, ob sie’s noch weit
hätte. Aber es war das Häuschen, vor dem sie standen: ein Winzling aus
Backstein mit spitzem Dach und einem kleinen Garten ringsum. In dem hatte die
Dettl zum Teil mustergültige Beete angelegt. Sogar Küchenkräuter waren
gepflanzt. Auf der Rückseite aber durfte der Garten verwildern. Und das tat er
auch — wie man anhand der haushoch wuchernden Büsche sah.
    Tarzan meinte, Bärbel hätte wohl nichts
mehr zu befürchten. Sie verabschiedeten sich.
    Klößchen schielte vor Glück, als sie
weiterfuhren. Sein Rad schlingerte.
    „Fährst du absichtlich im Zickzack?“
fragte Tarzan.
    „Wieso? Mache ich doch gar nicht.“
    „Da du nicht betrunken bist, muß dir
was anderes in den Kopf gestiegen sein. Mann, Willi, hast du Schlagseite!“
    „Ach, das ist nur... findest du nicht
auch: sie ist wunderbar.“
    „Hm. Sehr nett!“
    „Und dieser Zopf! Ob sie meine
Schokolade mag?“
    „Na und wie! Das sah man doch. Sie
hätte gern noch mehr gehabt. Aber inzwischen hattest du ja alles gefressen.“
    „Was?“ rief Klößchen. „Wie? Du meinst
wirklich...? Ich hätte ihr noch was anbieten sollen?“
    „Selbstverständlich!“
    „O weh! Das wäre nun mal eine
Gelegenheit gewesen. Und ich... Ja, es liegt nur an dir. Weil du immer an mir
rumnörgelst! Willi, iß nicht zuviel! Willi, du wirst immer dicker! Willi,
Schokolade ist ungesund! Und du bist immer dagegen, daß ich mir Wegzehrung
mitnehme. Aber in Zukunft — das schwöre ich dir — werde ich fünf Tafeln bei mir
haben. Mindestens! Das passiert mir nicht noch mal, daß Bärbel deinetwegen
hungert!“
    Jetzt schlingerte Tarzan.
    „Hör auf!“ rief er lachend. „Dein Humor
wirft mich vom Rad. Himmel, auf die Idee, dir nicht selber alles ins Maul zu
stopfen, kommst du nicht, wie?“
    „Wenn alle Welt Schokolade ißt, wie
Bärbel zum Beispiel - warum sollte ich dann als einziger verzichten?“
    „Die Gefahr besteht nicht.“
    Tarzan beendete seine Schlangenlinien.
    „Im übrigen, Willi, könnte ich darauf
wetten, daß die beiden unsere Strickleiter haben. Die kommen mir vor wie
Ratten, die in ihren Löchern auf Beute lauern. Mich würde es nicht wundern,
wenn sie von Bärbel Geld verlangt hätten - damit sie weiterfahren darf.“
    „Kurz und klein hätte ich dieses
Gesindel gehauen.“ Klößchen knirschte mit seinen Mausezähnen. „Ha! wenn die
wüßten, daß es unsere Strickleiter ist! Aber das werden sie schon
merken, wenn sie bis zum Knöchel im Leim
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